Nach Einschätzung des Bundesfinanzhofs hat der Fiskus die Steuerzahler mit zu hohen Nachzahlungszinsen seit Jahren geschröpft. Zinsen von monatlich 0,5 Prozent der Steuerschuld sei heute realitätsfern und verfassungswidrig, teilte der Bundesfinanzhof mit.

In den vergangenen Jahren habe der Fiskus allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung mehr als zwei Milliarden Euro Zinsen kassiert. Es fehle aber an einer Begründung für die Höhe des Zinssatzes. Trotz der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) halte der Gesetzgeber an dem Zinssatz aus dem Jahr 1961 fest. Diese inzwischen „realitätsferne Bemessung des Zinssatzes“ verletze den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, so die Bundesrichter. Für Zeiträume ab 2015 bestünden schwere Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit.

Im konkreten Fall hatte der Bundesfinanzhof über die Klage eines Ehepaars zu entscheiden, dessen Einkommenssteuer für das Jahr 2009 das Finanzamt zunächst auf 159 139 Euro festgesetzt hatte. Nach einer Außenprüfung forderte das Finanzamt im November 2017 eine Nachzahlung von zwei Millionen Euro, plus Nachzahlungszinsen von 240. 831 Euro.

Das Finanzgericht Köln lehnte die Beschwerde des Ehepaars ab, der Bundesfinanzhof dagegen gab dem Antrag statt und setzte den Vollzug aus. Angesichts der Niedrigzinsen wirke der Zinssatz des Fiskus wie ein grundloser Zuschlag auf die Steuer. Es bestünden daher schwere verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz nicht das Übermaßverbot des Grundgesetzes verletze.

Der Gesetzgeber müsse von Rechts wegen prüfen, ob der Zins angemessen sei. Er habe „aber gleichwohl bis heute nichts getan“, kritisierten die Richter.