Die vergangene Woche war durch eine uneinheitliche Börsenentwicklung geprägt. Zunächst fielen die Aktienkurse zurück, ehe eine Erholung einsetzte. In der zweiten Wochenhälfte überwogen dann wieder die Minuszeichen. Insgesamt zeigten sich die Notierungen aber nur wenig verändert.

Dabei blieben die Fundamentaldaten der Unternehmen im Hintergrund, während sich die Aktienmärkte erneut stark auf das konzentrierten, was die Kurse seit langem maßgeblich beeinflusst: die Geldpolitik der großen Zentralbanken. Vor allem von dem im amerikanischen Jackson Hole alljährlich stattfindenden Notenbanktreffen versprachen sich Anleger neue Hinweise auf die künftige Geldpolitik, insbesondere die der US-Notenbank Fed.

Notenbanker kritisieren Politiker

In Jackson Hole trieb die Notenbanker die Frage um, ob die alten geldpolitischen Rezepte noch taugen, um die Probleme der Gegenwart zu lösen. Denn auch Jahre nach der Finanzkrise ist das Wirtschaftswachstum weltweit schwach und die Inflation unerwünscht niedrig, trotz extrem niedriger Zinsen. Es wurde deutlich, dass sich die Währungshüter von der Politik im Stich gelassen fühlen. Mit Kritik an den Reformbemühungen der Regierungen wurde deshalb nicht gespart. So warf EZB-Direktor Benoit Coeure den europäischen Ländern Zögerlichkeit vor. Diese hätten sich lediglich zu „halbgaren und halbherzigen Strukturreformen“ durchringen können. Japans Notenbankchef Haruhiko Kuroda forderte für sein Land eine Öffnung für Einwanderer, um der Überalterung der Gesellschaft entgegenzuwirken.

Als Hauptproblem der Geldpolitik gilt, dass sie die Erwartungen von Unternehmen und Konsumenten zur Konjunktur- und Inflationsentwicklung offenbar nicht mehr im gewünschten Ausmaß beeinflussen kann. Folge: Die Wirtschaftsakteure halten sich mit Ausgaben und Investitionen zurück, weil sie am Aufschwung zweifeln und sich zugleich nicht durch einen Anstieg der Teuerung unter Druck sehen.

Nachdem viele Zentralbanken die Zinsen auf null gesenkt oder sogar in den negativen Bereich geschleust haben, gingen sie dazu über, die Märkte mit Liquidität zu fluten, indem sie in großem Stil Staatsanleihen ankauften. Fed-Chefin Janet Yellen hält die aktuellen Instrumente für die USA für ausreichend. Über die eventuelle Nutzung weiterer Möglichkeiten – etwa eine Anhebung des Inflationsziels oder den Kauf anderer Wertpapiere wie beispielsweise Unternehmensanleihen – müssen nach Meinung Yellens künftige Fed-Repräsentanten entscheiden. Die Notenbanker diskutierten aber auch exotisch anmutende Maßnahmen, wie die Abschaffung des Bargeldes unter gleichzeitiger Einführung negativer Zinsen, um Kreditvergabe und Investitionen anzutreiben.

Fed-Chefin deutet baldigen Zinsschritt an

Was den aktuellen Kurs der US-Notenbank betrifft, so hat Yellen die Tür für eine baldige Zinserhöhung aufgestoßen. Für einen solchen Schritt sprächen ihrer Einschätzung nach eine anhaltend solide Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sowie insgesamt die Aussichten für die US-Wirtschaft, sagte die Fed-Chefin. Auf einen genauen Zeitpunkt legte sie sich jedoch nicht fest. An den Märkten geht das Rätselraten, ob die Fed den Leitzins schon im September oder erst im November oder Dezember anheben wird, also weiter. Die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt im September wird an den Terminmärkten auf 30 Prozent taxiert. Für die Sitzung im November wird sie mit fast 36 Prozent veranschlagt, die Chancen im Dezember liegen mittlerweile bei über 60 Prozent. Auch Ökonomen sehen jetzt klare Anzeichen dafür, dass die US-Zentralbank noch dieses Jahr nachlegt.

„Die US-Wirtschaft nähert sich den Zielen der Federal Reserve von Vollbeschäftigung und Preisstabilität“, erklärte Yellen. Die Argumente für einen Zinsschritt nach oben hätten in den vergangenen Monaten an Zugkraft gewonnen. Vor Yellen hatten sich bereits andere Top-Notenbanker für eine baldige Erhöhung ausgesprochen. Nach Einschätzung von Fed-Beobachtern wollen Yellen und Co. erreichen, dass die Finanzmärkte sich langsam auf eine Anhebung in diesem Jahr einstellen.

Die Fed hatte die Zinswende im Dezember 2015 eingeleitet. Erstmals seit fast zehn Jahren wurde damals der Schlüsselsatz für die Versorgung der Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld wieder angehoben. Danach beließ sie ihn in der Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent. Der Ölpreisverfall, die Furcht vor einem Konjunktureinbruch in China und zuletzt die Unsicherheit über die wirtschaftlichen Folgen des Brexit-Votums ließen die Fed immer wieder zögern.

Außerdem waren die US-Konjunkturdaten und die Signale vom Arbeitsmarkt keineswegs immer eindeutig ausgefallen. So expandierte die US-Wirtschaft im zweiten Quartal mit einer aufs Jahr hochgerechneten Rate von 1,1 Prozent schwächer als zunächst angenommen. Volkswirte gehen aber von einem besseren zweiten Halbjahr für die amerikanische Wirtschaft aus.

EZB-Geldschwemme erreicht allmählich die Realwirtschaft

In der Eurozone erreicht die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB) derweil mehr und mehr die Unternehmen: Im Juli vergaben Banken 1,9 Prozent mehr Kredite an nicht zur Finanzbranche zählende Unternehmen als ein Jahr zuvor. Das ist der größte Zuwachs seit fünf Jahren, wie die EZB mitteilte. Im Juni lag das Plus noch bei 1,7 Prozent, im Mai bei 1,6 Prozent. Privathaushalte erhielten 1,8 Prozent mehr Darlehen.
Seit März 2015 flutet die EZB das Finanzsystem über den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren mit Zentralbankgeld. Das Programm soll noch bis mindestens Ende März 2017 laufen und bis dahin ein Volumen von 1,74 Billionen Euro erreichen. Seit Juni werden auch Unternehmensanleihen erworben. Mit den Anleihe-Käufen wollen die Währungshüter die Renditen der Titel drücken, so dass sie für Banken als Investment unattraktiv werden. Stattdessen sollen diese mehr Darlehen an Firmen und Haushalte vergeben, was der Wirtschaft zugutekommt. Auf diese Weise soll auch die aus EZB-Sicht unerwünscht niedrige Inflation im Währungsraum angeschoben werden.

Sorglosigkeit der Investoren trotz vieler Risiken

Es fällt auf, dass die Volatilität an den Aktienmärkten in den vergangenen Wochen deutlich gefallen ist. Das deutet darauf hin, dass bei den Börsianern derzeit eine ausgeprägte Sorglosigkeit herrscht. Dies lässt für die traditionell umsatzstärkeren Monate ab September – nach der Sommerpause vieler Investoren – die Wahrscheinlichkeit stärkerer Schwankungen realistisch erscheinen. Denn eine starke Sorglosigkeit der Anleger gilt oft als guter Kontraindikator für die Aktienmarkttendenz der nächsten Wochen.
Schließlich lässt sich eine Fülle von Risikofaktoren für die Aktienmärkte nicht bestreiten. Da ist zum einen die Aktienbewertung, die inzwischen auch in Europa als erhöht anzusehen ist. Zum anderen sind die Folgen des Brexit sowohl aus volkswirtschaftlicher Sicht als auch auf Ebene der Unternehmen noch immer schwer absehbar und werden dies für längere Zeit noch bleiben. Darüber hinaus ist der Aktienmarkt in den Herbstmonaten einer Fülle an politischen Risiken ausgesetzt. Diese reichen von allgemeinen politischen Problemen in der EU, über das für Anfang Oktober angesetzte italienische Verfassungsreferendum bis hin zur US-Präsidentschaftswahl Anfang November. Deshalb sollte man damit rechnen, dass die an den Aktienmärkten vergleichsweise ruhige Zeit der vergangenen Wochen bald der Vergangenheit angehören könnte.

Was die neue Woche bringt

Auch in der neuen Woche wird die Geldpolitik die Börsianer nicht loslassen. Allerdings wird sich die Aufmerksamkeit der Anleger zudem wieder stärker auf harte Fakten richten. Dabei dürften die US-Arbeitsmarktzahlen, die am Freitag gemeldet werden, das Highlight bilden. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten sagen für August 180.000 neue Jobs außerhalb der US-Landwirtschaft voraus, nach einem Plus von 255.000 im Vormonat.

Bereits für Montag steht die Veröffentlichung der US-Konsumausgaben auf dem Terminplan. Die Käufe der Verbraucher gelten als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft. Hinzu kommen Daten zum Konsumklima (Dienstag) sowie zum Autoabsatz und zur Geschäftsentwicklung in der Industrie (beide Donnerstag).
Spekulationen hinsichtlich weiterer expansiver Maßnahmen in der Eurozone dürften schon diese Woche die Börsen beschäftigen, obwohl die nächste EZB-Sitzung erst am 8. September ansteht. Sie könnten von den Inflationsdaten aus Deutschland (Dienstag) und der Euro-Zone (Mittwoch) befeuert werden. Sollte die Teuerung niedrig bleiben, wäre das Wasser auf die Mühlen derjenigen, die für weitere Geldspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) plädieren.

Mit dem Auslaufen der Sommerferien hoffen Börsianer darauf, dass die Handelsumsätze wieder anziehen. In der vergangenen Woche lagen sie beim DAX meist rund ein Drittel unter dem Durchschnitt. Allerdings bleiben die Londoner Handelssäle am Montag wegen eines Feiertags geschlossen.

 

Die wichtigsten Konjunkturdaten der neuen Woche:

MonatPrognoseLetzter
Montag, 29.8.2016
Private Einkommen USA (% zum Vormonat)Juli0.40.2
Konsumausgaben USA (% zum Vormonat)Juli0.30.4
Dienstag, 30.8.2016
Industrievertrauen Euroland (Punkte)August-2.6-2.4
Verbrauchervertrauen Euroland (Punkte)August-8.5-8.5
Verbraucherpreise Deutschland (% zum Vorjahr)August0.10.3
Conference Board Verbrauchervertr. USA (Punkte)August9797.3
Mittwoch, 31.8.2016
Einzelhandelsumsatz Deutschland (% zum Vormon.)Juli0.5-0.1
Arbeitslosenrate Deutschland (%)August6.16.1
Verbraucherpreise Euroland (% zum Vorjahr)August0-0.1
Donnerstag, 1.9.2016
PMI Verarb. Gewerbe China (Punkte)August50.250.6
ISM Verarb. Gewerbe USA (Punkte)August5252.6
Freitag, 2.9.2016
Beschäftigte USA (Tsd. zum Vormonat)August180255
Arbeitslosenrate USA (%)August4.84.9
Handelsbilanzsaldo USA (Mrd. $)Juli-43-44.5