In den vergangenen Jahren haben sich Gerichte und Gesetzgeber verstärkt mit dem Widerrufsrecht für Verbraucher bei im Internet geschlossenen Kaufverträgen befasst. Hintergrund der schließlich erfolgten Neuregelung war unter anderem die immense Anzahl an Retouren, mit denen beispielsweise Amazon und Zalando zu kämpfen hatten. Über ein anderes Recht der Verbraucher wird dagegen kaum gesprochen, obwohl es darum oftmals nicht allzu gut bestellt ist: Die Rede ist von dem grundlegenden Recht auf ein mangelfreies Produkt.

Beim Internetkauf gilt ebenso wie beim Einkauf im analogen Fachmarkt das sogenannte kaufrechtliche Gewährleistungsrecht. Dieses Recht haben Verbraucher völlig unabhängig von der Frage, ob ein Widerrufsrecht zugunsten des Verbrauchers, der im Internet einkauft, besteht. Der Verkäufer hat dem Käufer also auch bei einem über das Internet geschlossenen Kaufvertrag die Kaufsache frei von Sachmängeln zu verschaffen. Das bedeutet, dass dem Käufer ein Produkt zusteht, welches die allgemein üblichen Merkmale eines solchen Produktes aufweist. Mindestens sollte das gekaufte Produkt funktionieren. Funktioniert es nicht oder weist sonst erhebliche Fehler auf, hat der Verkäufer seinen Teil des Kaufvertrages nicht ordnungsgemäß erfüllt.

Dann hat der Kunde einen Anspruch auf die sogenannte Nacherfüllung. Diese kann der Verkäufer entweder durch Reparatur oder durch Lieferung einer anderen, funktionstüchtigen Sache leisten. Die Wahl zwischen diesen beiden Alternativen hat der Käufer, es sei denn, die gewählte Art der Nacherfüllung wäre für den Verkäufer mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. Wer ein Fahrrad mit einer defekten Klingel erhalten hat, wird wohl kaum die Lieferung eines neuen Rades verlangen können. Vielmehr steht es dem Verkäufer zu, die defekte Klingel auszutauschen.

Verjährung und Beweisführung
• Sachmängelhaftung beziehungsweise Gewährleistung gilt bei neuen, von einem Händler gekauften Sachen für zwei Jahre ab Lieferung der Sache.
• Zeigt sich binnen 6 Monaten nach Lieferung ein Mangel, wird vermutet, dass die Sache schon bei Lieferung diesen Mangel hatte; das erleichtert die Beweisführung des Käufers.
• Diese Rechte des Käufers können nicht eingeschränkt werden, wenn der Käufer Verbraucher und der Verkäufer Unternehmer ist.

Angebote und Sonderaktionen problematisch
Natürlich wissen das auch die großen Internetplattformen und in aller Regel, so die einhellige Auskunft aller Anbieter, werden schon aus Gründen der Kundenzufriedenheit Mängel bei den Produkten schnell behoben. Problematisch wird es vor allem dann, wenn es sich um ein Sonderangebot handelt. Hier kann die Nacherfüllung für die Anbieter zu einigen Mehrkosten führen. Wenn beispielsweise ein Fernseher bei Amazon im Rahmen einer Sonderaktion um 100 Euro reduziert war und dieser Fernseher sich nach Auslieferung an den Kunden als defekt erweist, dann hat der Kunde einen Anspruch auf die Lieferung eines funktionstüchtigen Ersatzgerätes. Einen höheren Kaufpreis muss der Kunde nicht zahlen – auch nicht nach Ablauf der Rabattaktion.

Da Sonderangebote und Rabattaktionen im Internet mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme sind, versuchen die Händler hier oftmals, ihre Pflichten zu umgehen. Wer im oben genannten Beispiel nach Ablauf des Sonderangebotes bei Amazon anruft und den defekten Fernseher reklamiert, der wird von den freundlichen Mitarbeitern der Telefonhotline wahrscheinlich die Auskunft erhalten, das Angebot sei leider bereits ausgelaufen, man könne nur eine Gutschrift des gezahlten Kaufpreises anbieten. Der Kunde müsse den Fernseher dann erneut bestellen. Der Haken: natürlich nicht mehr zum Preis des Angebotes, sondern zum regulären Preis.

Auch wenn Amazon dies auf Nachfrage bestreitet und einen Fehler der Mitarbeiter der Telefonhotline im Einzelfall als Grund für den Vorgang angibt, liegt angesichts der Vielzahl der Fälle doch die Annahme nahe, dass es sich nicht um wenige Einzelfälle handelt. Die meisten Kunden dürften nach Auskunft der Telefonhotline zähneknirschend den defekten Fernseher zurücksenden und sich mit der Gutschrift zufriedengeben.

Kunden sollten auf ihrem Recht bestehen
Das Sonderangebot ändert allerdings nichts an den Rechten der Kunden. Entscheidend ist alleine der Kaufpreis, auf den sich die Parteien des Kaufvertrages zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geeinigt haben. Das ist der auf der Internetseite und der Bestellbestätigung angegebene Preis, also der Sonderpreis im Rahmen des Angebots. Für diesen Preis steht dem Kunden eben die „Sache mittlerer Art und Güte“ zu, im Beispiel also ein funktionstüchtiger Fernseher.

verbrauchertipp: Bringen Sie gegenüber den Mitarbeitern der Hotline deutlich zum Ausdruck, dass Sie Ihre Rechte kennen und auf diesen bestehen werden.

Wenn die unmissverständliche Erklärung an der Hotline nicht fruchtet, sollte dem Händler eine E-Mail mit der Forderung nach Abholung oder kostenfreier Rücksendung der Ware und Neulieferung oder Reparatur geschickt werden. Falls der Händler keine E-Mail-Adresse für Reklamationen angegeben hat, sollte ein entsprechender Brief an die Firmenzentrale geschrieben werden. Nach dem ersten schriftlichen Kontakt wird das Unternehmen wahrscheinlich einlenken und die Nacherfüllung in die Wege leiten. Kunden sollten sich daher keinesfalls von Mitarbeitern einer Hotline verunsichern lassen. Dies gilt auch, wenn die Mitarbeiter sehr beharrlich wirken, beispielsweise von Mehrkosten durch Rechtsstreitigkeiten sprechen. Tatsächlich ist die Rechtslage hier so eindeutig, dass durch einen Rechtsstreit nur für die Seite des Händlers zusätzliche Kosten anfallen könnten.

Für den unwahrscheinlichen Fall, das sich ein Unternehmen weiterhin weigert, eine mangelfreie Sache zu liefern, sollten Verbraucher keine Scheu davor haben, die Verbraucherzentralen zu informieren und gegebenenfalls einen Anwalt zu beauftragen. Denn solche Maschen großer Unternehmen funktionieren und lohnen sich nur dann, wenn die Mehrzahl der Verbraucher sich einschüchtern lässt und nicht auf ihrem Recht besteht.

Quelle: verbraucherblick Ausgabe 08/2016