Der DAX hat Anfang dieser Woche ein neues Jahreshoch erreicht. Zum Kursauftrieb trugen bei die Erleichterung über das Ende des monatelangen Tauziehens bei der Regierungsbildung in Spanien und neue Umfragen in den USA, die im Rennen um die US-Präsidentschaft einen klaren Vorsprung von Hillary Clinton vor Donald Trump sehen. Als Stimmungsaufheller erwiesen sich zudem Konjunkturdaten aus der Eurozone.

Positive Impulse kamen zuletzt auch von abklingenden Sorgen um einen „Hard Brexit“, positiv überraschenden Unternehmensberichten, rückläufigen Leitzinserwartungen in den USA auf Grund der Inflationsdaten von September sowie von der Erwartung einer weiterhin extrem lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Aktienindizes in der Eurozone erhielten zusätzliche Unterstützung durch die anhaltende Schwäche des Euro.

Nachdem in den USA die Kerninflation im September mit 2,2 Prozent unter den Erwartungen der Analysten blieb (Konsens-Prognose: 2,3 Prozent), haben sich die mittelfristigen Leitzinserwartungen für Amerika – gemessen an den Fed Funds Futures – wieder leicht zurückgebildet. Abzulesen ist das nicht zuletzt an der Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen, die vergangene Woche von in der Spitze 1,81 Prozent auf 1,73 Prozent zurückging. An der Erwartung einer Leitzins-Erhöhung durch die US-Notenbank Fed im Dezember um 25 Basispunkte hat sich allerdings nichts geändert. Sie wird nach wie vor mit 64 Prozent eingepreist.

Kein „Tapering“ der EZB

Im Gegensatz zur Fed wird von der EZB auf absehbare Zeit keine Zinserhöhung erwartet. Die Euro-Notenbanker haben denn auch bei ihrer Sitzung letzte Woche keine zins- und liquiditätspolitischen Maßnahmen beschlossen. Spekulationen über eine vorzeitige Drosselung des Anleihen-Kaufprogramms – im Fachjargon Tapering genannt – erwiesen sich als hinfällig.

Im geldpolitischen Rat sei eine Drosselung der Anleiheaufkäufe nicht einmal thematisiert worden, hieß es bei der Pressekonferenz nach der Sitzung. EZB-Präsident Mario Draghi betonte, dass ein künftiger Anstieg der Inflation vor allem auf Basiseffekte bei steigenden Energiepreisen zurückzuführen und der Wachstumsausblick weiterhin mit Abwärtsrisiken behaftet sei.

Die Schwäche des Euro gegenüber dem Dollar zeigt: Die Devisenmärkte gehen davon aus, dass die EZB auch in Zukunft im Vergleich zur Fed eine offensivere Liquiditätspolitik betreiben wird. Offensichtlich möchten sich die europäischen Währungshüter jedoch vor der US-Präsidentenwahl am 8. November und dem Verfassungsreferendum in Italien am 4. Dezember zurückhalten. Vor diesen Ereignissen will man nicht unnötig geldpolitisches Pulver verschießen.

Auf ihrer Jahresend-Sitzung am 8. Dezember, bei der aktualisierte Konjunkturprojektionen bis 2019 vorgestellt werden, könnte die EZB dann Anleiheaufkäufe über den März 2017 hinaus beschließen. Zu diesem Zeitpunkt werden auch die vollständigen Ergebnisse der von ihr einberufenen Arbeitsgruppe vorliegen, welche die bisherige Politik des Quantitative Easing und ihre Nebenwirkungen beurteilen soll.

Anlageprofis sehen Zinssteigerungs-Risiko

Ungeachtet der lockeren Geldpolitik der EZB wird derzeit von Anlegern verstärkt ein möglicher Anstieg der Kapitalmarktzinsen als Risiko für die Finanzmärkte angesehen. Dies zeigt auch die jüngste weltweite Bank of America/Merrill Lynch-Umfrage unter Fondsmanagern. Bei der zwischen 7. und 13. Oktober durchgeführten Befragung wurde von den Finanzprofis ein Bond Crash als zweitgrößtes Risiko eingestuft, nach einem Auseinanderfallen der EU, das wie im Vormonat als Risikofaktor Nummer eins genannt wurde. Ein Wahlsieg Trumps stellt den Befragten zufolge zwar weiterhin ein Risiko dar; da dessen Wahrscheinlichkeit aber gesunken ist, wird es nur noch auf Rang drei aufgeführt (Vormonat: Rang zwei). Ebenfalls abgenommen haben Konjunkturängste, zumal sich wichtige Konjunktur-Frühindikatoren zuletzt verbesserten.
Vor diesem Hintergrund wurde von den Fondsmanagern die Gewichtung von Aktien in den Portfolios zuletzt wieder angehoben. Der Nettoanteil der Befragten (Saldo aus positiven und negativen Antworten), die Aktien übergewichtet haben, stieg von einem Prozent im Vormonat auf elf Prozent. Im historischen Vergleich ist das allerdings noch immer eine relativ defensive Positionierung. So liegt der Durchschnittswert seit Anfang 2010 bei 33 Prozent.
Trotz der höheren Gewichtung von Aktien stieg die durchschnittliche Liquiditätsquote in den Portfolios der Fondsmanager von 5,5 Prozent auf den Rekordwert von 5,8 Prozent. Dieser wurde in der Vergangenheit erst zweimal erreicht, nämlich unmittelbar nach dem Brexit-Entscheid im Juli dieses Jahres und davor im November 2001 nach den Terroranschlägen des 11. September.
Zurückzuführen sind die hohen Cashbestände auf die beträchtlichen politischen Unsicherheiten (EU-Probleme, US-Präsidentschaftswahl) und die längerfristigen Risiken der Geldpolitik der Notenbanken, aber auch darauf, dass die Anleihen- und Aktienmärkte von den Fondsmanagern weltweit zunehmend als überbewertet betrachtet werden. Netto mehr als die Hälfte der Befragten bezeichneten Anleihen und Aktien zusammengenommen als überbewertet.

Risikoaversion aus Börsensicht positiv

Die Ergebnisse der Fondsmanagerumfrage weisen auf ein anhaltend hohes Niveau der Risikoaversion bzw. eine eher defensive Positionierung hin. Dies ist als Kontraindikator aus Aktienmarktsicht grundsätzlich positiv zu werten, da Aktien relativ gering gewichtet sind und viel Liquidität für potenzielle Aktienkäufe zur Verfügung steht. Auslöser, die vermehrt Liquidität in Aktien fließen lassen könnten, wären beispielsweise eine stärkere globale konjunkturelle Erholung, positive Überraschungen bei den Firmengewinnen oder eine Geldpolitik, die expansiver ausfällt als erwartet.

Kommt es allerdings wegen des Brexit noch zu spürbaren negativen konjunkturellen Effekten in Europa, stünde dies einer höheren Gewichtung vor allem europäischer Aktien entgegen. Die Debatten über die Risiken der ultraleichten Geldpolitik, die zu erwartende weitere geldpolitische Straffung der Fed und die politischen Risiken in Europa dürften anhalten und immer wieder zu erhöhter Unsicherheit bzw. Schwankungen beitragen. Außerdem könnte die schon hohe Bewertung von US-Aktien Investoren vor einer deutlich höheren Gewichtung von Dividendenwerten abhalten.
Das alles spricht dafür, dass die Liquiditätsquoten der Fondsmanager vorerst hoch bleiben. Ein Vorteil der defensiven Positionierung der institutionellen Investoren ist, dass die Aktienmärkte gegenüber negativen Nachrichten tendenziell widerstandsfähiger sind, als dies bei einer offensiven Positionierung der Fall wäre.

Was die neue Woche bringt

Diese Woche steht eine Reihe von Konjunktur-Frühindikatoren auf der Agenda, die an den Märkten stark beachtet werden dürften. Dazu gehören die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes aus der Eurozone und den USA (Mo. bzw. Mi.), der ifo-Geschäftsklimaindex aus Deutschland, der Richmond-Fed-Index aus den USA sowie der US-Index des Verbrauchervertrauens des Conference Board (jeweils Di.). Daneben werden die US-Neubauverkäufe (Mi.) sowie der US-Auftragseingang langlebiger Güter (Do.) von September veröffentlicht.

Gleichzeitig geht die Unternehmens-Berichtssaison für das dritte Quartal weiter, wobei nun auch mehrere DAX-Konzerne ihre Zahlen vorlegen werden: Bayer (Mi.), BASF, Volkswagen, Fresenius, Fresenius Medical Care, Deutsche Börse (Do.) und Linde (Fr.). In den USA ist die Berichtssaison trotz der Enttäuschung zu Beginn durch Alcoa gut angelaufen. Denn bislang haben gut 80 Prozent der berichtenden S&P-500-Firmen die Gewinnerwartungen übertroffen, was einen überdurchschnittlich hohen Wert darstellt.

 

Die wichtigsten Konjunkturdaten der neuen Woche

MonatPrognoseLetzter
Montag, 24.10.2016
PMI Verarb. Gewerbe Deutschland (Punkte)Oktober54.354.3
PMI Dienstleistungen Deutschland (Punkte)Oktober51.850.9
PMI Verarb. Gewerbe Euroland (Punkte)Oktober52.652.6
PMI Dienstleistungen Euroland (Punkte)Oktober52.452.2
Dienstag, 25.10.2016
ifo-Geschäftsklima Deutschland (Punkte)Oktober109.6109.5
Richmond Fed Index USA (Punkte)Oktober-4-8
Conference Board Verbrauchervertr. USA (Punkte)Oktober101104.1
Mittwoch, 26.10.2016
GfK-Konsumklima Deutschland (Punkte)November1010
PMI Dienstleistungen USA (Punkte)Oktober52.352.3
Neubauverkäufe USA (Tsd.)September602609
Donnerstag, 27.10.2016
Einzelhandelsumsatz Deutschland (% zum Vorm.)September0-0.3
Auftragseingang langleb. Güter USA (% zum Vorm.)September0.10.1
Freitag, 28.10.2016
Verbraucherpreise Japan (% zum Vorjahr)September-0.5-0.5
Industrievertrauen Euroland (Punkte)Oktober-1.8-1.7
Verbrauchervertrauen Euroland (Punkte)Oktober-8-9.2
Verbraucherpreise Deutschland (% zum Vorjahr)Oktober0.70.7
BIP USA (% zum Vorquartal, annualisiert)Q32.51.4
Uni Michigan Konsumklima USA (Punkte)Oktober88.187.9