Das Urteil war mit Spannung erwartet worden: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Kündigung von Bausparverträgen mit lukrativen Zinsen in einem Grundsatzurteil für rechtmäßig erklärt.
„Bausparverträge sind in der Regel zehn Jahre nach Zuteilung kündbar“, stellte der Vorsitzende Richter des BGH-Bankensenats, Jürgen Ellenberger, am Dienstag in Karlsruhe fest. Ein Urteil zugunsten der Bausparer hätte die unter den niedrigen Zinsen leidende Branche in Bedrängnis bringen können. „Das ist eine gute Nachricht für die Bauspargemeinschaft als Ganzes, die weiter auf die Stabilität des Systems vertrauen darf“, erklärte der Verband der privaten Bausparkassen. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kritisierte dagegen: „Der Grundsatz der Vertragstreue wurde heute schwer erschüttert.“ (Az.: XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16)

Die Bausparkassen haben inzwischen nach Branchendaten rund 260.000 Verträge gekündigt, bei denen die Kunden ihr Darlehen nicht abgerufen, sondern stattdessen weiter gespart und Zinsen kassiert haben. Das ist für viele Bausparer bei den niedrigen Zinsen attraktiv: Sie verzichten auf das Bauspardarlehen, weil sie sich das Geld billiger bei normalen Banken besorgen können. Das bringt die Bausparkassen in Schieflage, die von der Differenz zwischen Spar- und Darlehenszins leben. Der Anwalt von Wüstenrot, Reiner Hall, erklärte in der Verhandlung vor dem BGH, die deutschen Bausparkassen gäben derzeit nur acht Prozent ihrer Einlagen als Darlehen aus. Früher habe der Anteil bis zu 40 Prozent ausgemacht.

Geklagt hatten zwei Kunden der Bausparkasse Wüstenrot, die ihren Anspruch auf Sparzinsen von drei und 4,5 Prozent nicht aufgeben wollten. In einem Fall stammte der Vertrag aus dem Jahr 1978. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte ihnen Recht gegeben, die meisten anderen Berufungsgerichte hatten freilich zugunsten der Bausparkassen entschieden. Die Aktie des Wüstenrot-Eigentümers W&W stieg um fast fünf Prozent.

Wüstenrot und Konkurrenten wie Schwäbisch Hall, BHW oder die Landesbausparkassen (LBS) hatten zunächst nur Verträge gekündigt, bei denen die ganze Bausparsumme bereits angespart war, die Kunden also gar kein Darlehen mehr brauchten. Das erwies sich als weitgehend unumstritten. Doch dieser ersten Kündigungswelle folgte eine zweite: Sie betraf Verträge, die seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif waren. „Es handelt sich im Schnitt um Verträge, die im Schnitt rund 22 Jahre alt sind. Für einen ‚ewigen Guthabenzins‘ waren sie nie gedacht“, hatte der Präsident des Verbandes der privaten Bausparkassen, Andreas Zehnder, im Vorfeld der Verhandlung gesagt.

In diesem Punkt gab der BGH den Bausparkassen nun ebenfalls Recht: Sie seien bis zur Zuteilung des Bausparkredits formell Darlehensnehmer der Bausparer. Damit hätten sie das Recht, nach zehn Jahren aus dem Vertrag auszusteigen. Schließlich diene das Ansparen nur dem Zweck, danach an ein Bauspardarlehen zu kommen.