Mehr als 25 Millionen Unfallpolicen haben die Deutschen abgeschlossen. Daneben gibt es weitere Versicherungen, die gegen die finanziellen Folgen von schweren Unfällen oder Erkrankungen schützen sollen. Gegenüber einer Berufsunfähigkeitspolice sind alle zweite Wahl – selbst der beliebte Unfallschutz. Für manche lohnt sich der Blick auf die Alternativen aber dennoch.

Jeder, der auf sein Arbeitseinkommen angewiesen ist, sollte eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen – das ist die klare Empfehlung von Verbraucherschützern (siehe Verbraucherblick 10/2016). Zu groß ist das finanzielle Risiko und zu häufig passiert es, dass Menschen aus gesundheitlichen Gründen zeitweise oder gar nicht mehr arbeiten können. Dennoch hat sich laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft nur eine Minderheit der Berufstätigen entsprechend abgesichert. Hinzu kommt, dass die vereinbarte Leistung oftmals zu niedrig ausfallen dürfte.

Weil vielen eine Absicherung gegen Berufsunfähigkeit (BU) zu kompliziert oder zu teuer erscheint, haben die Versicherer nach und nach einige Alternativen geschaffen – etwa für schwere Krankheiten oder den Verlust von Grundfähigkeiten. Sie sind günstiger zu haben, bieten dafür aber auch weniger Schutz als ihre große Schwester, die BU-Police. „Das alles sind keine wirklichen Alternativen“, bilanziert denn auch Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV). Doch nicht jeder bekommt eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Manche werden wegen Vorerkrankungen abgelehnt, andere wegen ihres Berufes. Für sie und für diejenigen, die sich den teuren, aber wichtigen Schutz partout nicht leisten können oder wollen, ist der Blick auf die anderen Angebote sinnvoll.

Unfallversicherung
Die Deutschen haben mehr Unfall- als Berufsunfähigkeitspolicen abgeschlossen. Laut Branchenverband stehen mehr als 25 Millionen Unfallversicherungsverträgen knapp 17 Millionen Verträge zu Berufs- und Erwerbsunfähigkeit gegenüber – wobei davon fast 13 Millionen Zusatzpolicen zu Lebens- und Rentenversicherungen sind. Deren Leistung dürfte im Ernstfall in der Regel kaum ausreichen. Nicht überall werden Unfallversicherungen zu den möglichen Alternativen der BU-Versicherung gezählt. Verbraucherschützer sehen sie dennoch in der Regel in dieser Kategorie, weil auch sie finanziellen Schutz bieten, wenn nicht mehr gearbeitet werden kann – allerdings nur nach Unfällen und nicht beim wesentlich häufigeren Krankheitsfall.

Der BdV meint, dass eine Unfallversicherung mit einer Einmalzahlung im Schadensfall auch zusätzlich zur BU-Police sinnvoll sein könne. Die Summe kann dann nämlich dazu genutzt werden, nötige Umbauten im Haus oder in der Wohnung zu finanzieren. Die Höhe der Beiträge wird von der vereinbarten Höhe der Leistung und dem Risiko beeinflusst. Menschen mit riskanten Berufen oder Hobbys müssen in der Regel Aufschläge zahlen, für sie ist die Police aber besonders interessant. Mitunter schließen Versicherer auch den Schutz für bestimmte Bereiche aus.

Für die weiteren Bedingungen gilt: Versicherungssumme und Progression sollten nicht zu niedrig gewählt werden. Mit der Progression wird bestimmt, wie viel Prozent der Versicherungssumme der Versicherte abhängig vom Grad der Invalidität bekommt. Bei Vollinvalidität wäre dies bei einer Progression von 300 Prozent das Dreifache der vereinbarten Summe. Die Abstufungen unterhalb der Vollinvalidität unterscheiden sich je nach Anbieter. Die Stiftung Warentest rechnet in ihren Tests mit 100.000 Euro und einer Progression von 500 Prozent. Wichtig ist die sogenannte Gliedertaxe: Damit legt der Versicherer fest, welchen Invaliditätsgrad er nach einem Unfall anerkennt und welchen Prozentsatz der Invaliditätssumme er an den Geschädigten auszahlt, wenn zum Beispiel eine Hand oder ein ganzer Arm nicht mehr benutzt werden kann. Dabei weichen die Prozentsätze zum Teil innerhalb verschiedener Tarife eines Unternehmens voneinander ab.

Nicht empfehlenswert sind Verträge mit sogenannter Beitrags- oder Prämienrückgewähr. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Versicherung und Sparprodukt, bei der am Ende der Vertragslaufzeit Geld zurückgezahlt wird, sofern der Schutz nicht in Anspruch genommen wurde. Besser ist es, Risiken separat abzusichern und auf anderem Wege zu sparen, da dies in der Summe effektiver und flexibler ist. Nach Einschätzung der Stiftung Warentest kosten gute Unfallpolicen mit ausreichend hohen Versicherungssummen zwischen 170 und 250 Euro im Jahr, sofern keine Risikozuschläge erhoben werden.

verbrauchertipp: Wenn Sie eine Unfallversicherung zusätzlich zu einer bestehenden ausreichend hohen Absicherung gegen Berufsunfähigkeit abschließen wollen, können Sie auf die Vereinbarung einer Progression verzichten.

Erwerbsunfähigkeitsversicherung
Die Erwerbsunfähigkeitsversicherung kommt dem Schutz vor Berufsunfähigkeit am nächsten, hat allerdings einen entscheidenden Nachteil. „Sie hilft nur dann, wenn ich überhaupt keinen Beruf mehr ausüben kann“, sagt Boss vom BdV. Es genügt also nicht – wie bei einer guten BU-Police -, wenn lediglich im aktuellen Beruf zu mindestens 50 Prozent nicht mehr gearbeitet werden kann. Maximal drei Stunden täglich darf irgendeine Erwerbstätigkeit noch möglich sein, damit die meisten Erwerbsunfähigkeitsversicherer zahlen. In Ausnahmefällen verlangen Anbieter sogar, dass gar nicht mehr gearbeitet werden kann.

Interessant ist der Abschluss, wenn eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zu bekommen oder zu teuer ist. Verbraucherschützer empfehlen Erwerbsunfähigkeitspolicen für Auszubildende oder Studenten, solange sie eine Umwandlungsoption vereinbaren, mit der sie den Vertrag später ohne erneute Gesundheitsprüfung in eine BU-Police ändern können. Auch für Hausfrauen und -männer kann sich der Schutz lohnen, für den Fall, dass ihre Arbeitskraft wegfällt und eine Hilfe eingestellt werden muss. Bei den Bedingungen sollte man darauf achten, bereits unmittelbar mit Eintreten einer Berufsunfähigkeit von der Beitragszahlung befreit zu sein. Die Jahresbeitragshöhen hängen stark von persönlichen Voraussetzungen ab und schwanken erheblich zwischen etwa 500 bis mehr als 1000 Euro, welche die Stiftung Warentest in zwei Modellfällen ermittelt hat.

verbrauchertipp: Beantworten Sie die Gesundheitsfragen im Antragsformular vollständig und wahrheitsgemäß! Sie riskieren sonst, dass der Versicherer im Leistungsfall die Zahlung verweigern kann.

Funktionsinvaliditätsversicherung
Einfacher zu bekommen ist die sogenannte Funktionsinvaliditätsversicherung. Profisportler, Künstler, Musiker und Schauspieler können dabei auf Schutz hoffen. Die Angebote sind in der Regel deutlich günstiger, bieten dafür aber nur ein geringeres Leistungsniveau. Zielgruppe sind laut Bund der Versicherten vor allem Beschäftigte, die körperlich arbeiten. Häufig bieten Versicherer Absicherung bei Verlust von Grundfähigkeiten, für den Pflegefall oder Organschädigungen sowie nach schweren Unfällen. Die Stiftung Warentest kommt zu dem Schluss, dass die Bedingungen der Angebote schwierig zu vergleichen und die Anforderungen für den Leistungsfall sehr hoch sind.

Die Leistung knüpfe an „relativ gut objektivierbare Kriterien“ an, zählt dagegen der BdV zu den Vorteilen dieser Policen. Dafür fehle mitunter der wichtige Schutz für psychische Erkrankungen, die zu den häufigsten Ursachen von Berufsunfähigkeit zählten. Bei Funktionsinvaliditätsversicherungen besteht zudem das Risiko, dass unter Umständen die vereinbarte Rente erst ausgezahlt wird, wenn der Versicherte bereits zwölf Monate beeinträchtigt ist. Immerhin gibt es dann aber rückwirkend Geld. Verbraucherschützer empfehlen, darauf zu achten, dass bei Krebserkrankungen eine lebenslange Rente vorgesehen ist. Oft enthalten die Verträge nämlich nur Rentenzahlungen bis zu einem bestimmten Alter, manchmal noch in Kombination mit einem Einmalbetrag in Höhe von einer Jahresrente. Auch in diesem Bereich schwanken die Jahresbeiträge erheblich durch die persönlichen Voraussetzungen. Los geht es in den Modellfällen der Stiftung Warentest ab etwa 250 Euro für gute Verträge, wenn ein geringes Risiko besteht.

Dread-Disease-Versicherung
Die Leistungen der Schwere-Krankheiten-Versicherung sind sehr eingeschränkt. „Bei Dread-Disease sind viele Erkrankungen nicht mitversichert, zum Beispiel Rückenerkrankungen oder psychische Erkrankungen – im Grunde genommen das, was häufig dazu führt, dass man berufsunfähig wird“, warnt Boss vom Bund der Versicherten. Absicherung besteht dagegen für alle im Vertrag aufgeführten Krankheiten in Form einer einmaligen Zahlung der Versicherungssumme.

Der Ursprung dieser Idee liegt laut dem BdV im englischen Gesundheitssystem, wo man mit einer Einmalzahlung aus einer solchen Versicherung vor allem die Operationskosten bezahlen können soll. Zu den versicherbaren Erkrankungen zählen häufig Herzinfarkt, Schlaganfall, multiple Sklerose, Querschnittslähmung, Krebs sowie schwere Erkrankungen von Herzen, Gefäßen, Gehirn und der Organen. Versichert werden der Verlust von Grundfähigkeiten wie Sehen oder Hören sowie die Folgen schwerer Unfällen. Weicht die Diagnose von den im Vertrag aufgelisteten Fällen ab, zahlt der Versicherer gar nichts. In ihren Modellfällen hat die Stiftung Warentest Jahresbeiträge zwischen 1000 und mehr als 2000 Euro ermittelt.

Grundfähigkeitsversicherung
Das Urteil des BdV ist eindeutig: „Dieser Schutz ist stark lückenhaft und deshalb unbrauchbar“, heißt es. Die Grundfähigkeitsversicherung bietet eine monatliche Rente, wenn Versicherte Fähigkeiten wie Sprechen, Sehen, Hören oder Treppensteigen verlieren. Wer aber nicht mehr arbeiten kann, ohne Grundfähigkeiten zu verlieren, etwa nach psychischen Erkrankungen, geht leer aus.

In den Vertragsbedingungen wird in der Regel gefordert, dass der Verlust einer oder mehrerer Grundfähigkeiten für mindestens zwölf Monate vorliegen muss, damit eine Rente gezahlt wird. Auch wichtig ist, dass Versicherer unter Formulierungen wie „Hände gebrauchen“, „geistige Leistungsfähigkeit“ oder „Verlust selbstständiger Lebensführung“ zum Teil ganz unterschiedliche Dinge verstehen. Im Zweifel hilft nur Nachfragen, was genau gemeint ist, damit man weiß, worauf man sich einlässt. Immerhin prüfen Anbieter entsprechender Policen im Leistungsfall nicht, ob ein Versicherter überhaupt noch arbeitsfähig ist. Jahresbeiträge für gute Tarife gibt es in den Modellfällen der Stiftung Warentest ab 500 Euro.

Quelle: Verbraucherblick Ausgabe 11/2016