Abnehmende politische Risiken wegen der Wahl Emmanuel Macrons zum Präsidenten Frankreichs, eine robuste Wirtschaftsentwicklung, gute Unternehmensergebnisse und Fusionsfantasien haben den europäischen Börsen zuletzt Aufwind verliehen. Der Dax beendete vergangene Woche mit dem siebten Schlussrekord in neun Tagen. Die meisten aktuellen Konjunkturdaten aus dem Euroraum konnten die Erwartungen übertreffen, zum Beispiel die deutschen Exporte, aber auch die Industrieproduktion großer Euro-Staaten.

Erfreulich ist, dass die deutsche Wirtschaft voll auf Expansionskurs liegt. Ausgabefreudige Konsumenten, wettbewerbsfähige Exporteure und investitionsfreudige Unternehmen sorgten im ersten Quartal 2017 für das stärkste Wachstum seit einem Jahr. Die nach wie vor vorhandenen globalen Unwägbarkeiten scheinen die Expansion der Wirtschaftsleistung bisher kaum zu bremsen. Weder die Verunsicherung über den Kurs des neuen US-Präsidenten Donald Trump noch der näher rückende EU-Austritt Großbritanniens konnten dem Aufschwung etwas anhaben.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Januar bis März um 0,6 Prozent gegenüber den letzten drei Monaten 2016 zu. Damit ließ Europas größte Volkswirtschaft Länder wie die USA, Großbritannien und Frankreich in Sachen Wachstumsdynamik klar hinter sich. Die Rekordbeschäftigung kurbelte den Konsum an und der Bauboom setzte sich wegen niedriger Zinsen fort. Außerdem begünstigte die verbesserte Weltkonjunktur die hiesigen Exporteure.

Fed bleibt optimistisch für US-Wirtschaft
Für die USA fielen die Konjunkturdaten letzte Woche gemischt aus. Der dortige Einzelhandel verbuchte im April 0,4 Prozent höhere Umsätze als im März. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten hatten mit einem Plus von 0,6 Prozent gerechnet. Der private Konsum gilt als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft. Die Amerikaner kauften vor allem mehr Autos, aber auch viele andere Produkte. Die Kauflaune der US-Bürger hellte sich zuletzt überraschend ebenfalls auf. Das von der Universität Michigan ermittelte Barometer für das Verbrauchervertrauen stieg um 0,7 auf 97,7 Punkte.

Zu Jahresbeginn hat die US-Wirtschaft allerdings überraschend deutlich an Fahrt verloren. Sie wuchs auf das Jahr hochgerechnet nur um 0,7 Prozent, so schwach wie seit drei Jahren nicht mehr. Dennoch bleibt die US-Notenbank Fed optimistisch und hält den Jahresstart für einen Ausrutscher. Hinzu kommt, dass US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, die Wirtschaft mit einer radikalen Steuerreform und massiven Investitionen anzukurbeln. In der Notenbank macht man sich Sorgen, dass dadurch auch die Inflation über Gebühr angeheizt werden könnte.
Angesichts der mittlerweile erreichten Vollbeschäftigung hat die Fed den Leitzins im März auf die Spanne von 0,75 bis 1,0 Prozent angehoben und will 2017 noch zwei weitere Schritte nach oben folgen lassen. Viele Fed-Beobachter gehen davon aus, dass die Zentralbank schon im Juni das nächste Mal an der Zinsschraube dreht.

Was die Inflation betrifft ist die Fed allerdings noch nicht ganz am Ziel. Sie strebt eine Jahresteuerung von zwei Prozent an und achtet hierbei besonders auf Preisveränderungen bei den Ausgaben der Verbraucher (PCE) ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Nahrungsmittelkosten. Dieser Wert lag zuletzt bei 1,6 Prozent. Die für die Zinspolitik ebenfalls relevanten Verbraucherpreise kletterten im April zum Vorjahr durchschnittlich um 2,2 Prozent nach 2,4 Prozent im März.
Der Economic Surprise Index, der Abweichungen der veröffentlichten Konjunkturdaten von den Konsens-Prognosen misst, bleibt damit für die Eurozone mit sehr hohen 70 Punkten weit im positiven Bereich, während er sich für die USA zuletzt deutlich abgeschwächt hat und aktuell mit -20 Punkten im negativen Bereich notiert.

Firmengewinne und Fusionsfieber stützen Kursaufschwung
Rückenwind für die Börsen kommt in jüngerer Zeit nicht nur von Seiten der Konjunktur, sondern auch von den Unternehmensgewinnen. Die Berichtssaison zum ersten Quartal verläuft überwiegend positiv und die Gewinnrevisionen, insbesondere für die europäischen Firmen, haben sich zuletzt weiter stabilisiert, teilweise sogar verbessert.
Die ohnehin optimistischen Gewinnerwartungen für 2017 werden inzwischen sogar leicht nach oben korrigiert, nachdem der Gewinnrevisionstrend bis Herbst letzten Jahres noch negativ war. Die steigenden Unternehmensgewinne bei gleichzeitigen Aufwärtsrevisionen der Erwartungen stellen im Moment einen der entscheidenden Faktoren für die positive Kursentwicklung an den Aktienmärkten dar.

Unterstützend wirken zudem Nachrichten über mögliche Firmenfusionen. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge nimmt der US-Mobilfunker Sprint einen neuen Anlauf für einen Zusammenschluss mit T-Mobile US. Deren Muttergesellschaft Deutsche Telekom soll prinzipiell offen für einen solchen Deal sein. Die T-Aktie stieg daraufhin auf den höchsten Stand seit zwei Jahren.

Vor einem Zusammenschluss stehen außerdem United Internet und Drillisch. Der Telekom-Konzern will den kleineren Rivalen übernehmen und bietet den Drillisch-Aktionären 50 Euro je Aktie. Drillisch stiegen zeitweise auf ein Rekordhoch von 54,19 Euro, United Internet verbuchten mit einem Kursplus von 14 Prozent den größten Tagesgewinn seit 14 Jahren.
Firmen aus anderen Branchen befinden sich ebenfalls im Übernahmefieber: So will in Frankreich der Medienkonzern Vivendi die Werbegruppe Havas übernehmen. Vivendi biete dem Geschäftsmann Vincent Bollore, der beide Firmen kontrolliert, 9,25 Euro je Aktie für dessen 60-Prozent-Anteil an Havas. Nach Einschätzung der Bank Morgan Stanley sei der Preis zwar in Ordnung, Vivendi müsse den Markt aber noch vollständig vom strategischen Nutzen und den Synergien dieses Deals überzeugen.

Während es an Europas Aktienmärkten weiter aufwärts ging, gerieten Staatsanleihen unter Verkaufsdruck. Experten führen das auf den Ende letzter Woche steigenden Ölpreis zurück, der Spekulationen auf eine anziehende Inflation schüre. Dies wiederum mache Veränderungen des geldpolitischen Ausblicks der Europäischen Zentralbank (EZB) bei ihrer kommenden Sitzung im Juni wahrscheinlicher. Mit einem Minus von fünf Millionen Barrel sind die US-Ölreserven in der vergangenen Woche so stark gefallen wie noch nie in diesem Jahr. Das könnte ein Hinweis sein, dass die Förderbremse der Opec zu greifen beginnt.

Hohe Aktienbewertungen mahnen zur Vorsicht
Trotz des aktuell positiven Trends bei der Weltkonjunktur und den Unternehmensgewinnen herrscht nicht nur eitel Sonnenschein an den Aktienmärkten. Denn die Börsen haben in den vergangenen Monaten viel Positives vorweggenommen, was die Bewertungen von Dividendenpapieren kräftig nach oben getrieben hat. Vor dem Hintergrund des bestehenden Enttäuschungspotenzials bei den erwarteten Fiskalmaßnahmen Trumps, wahrscheinlicher werdender Enttäuschungen bei Konjunkturmeldungen und des schon ambitionierten Bewertungsniveaus sind weiter nach oben gehende Bewertungen nur schwer zu bewerkstelligen.

Zudem scheinen die sehr positiven mittelfristigen Erwartungen für die Firmengewinne zum Teil übertrieben optimistisch. Einerseits liefert das global günstigere Inflationsumfeld zwar bessere Rahmenbedingungen für die Gewinnentwicklung. Andererseits ist das Potenzial für Gewinnzuwächse angesichts historisch hoher Gewinnmargen und – insbesondere in den USA – der Aussicht auf steigende Löhne auf Sicht der nächsten Jahre begrenzt.

Deshalb ist kaum damit zu rechnen, dass die kräftige Aufwärtsdynamik an den Aktienmärkten in den kommenden Monaten anhält. Solange der nach oben gerichtete Wachstumspfad der Weltwirtschaft intakt und die Geldpolitik global expansiv bleibt – was mindestens bis ins Jahr 2018 hinein der Fall sein dürfte –, sollten Kursrückschläge aber temporär bleiben und noch keinen Trendwechsel einläuten.

Was die neue Woche bringt
In der Eurozone sollten die Konjunkturdaten auch in der neuen Woche positiv ausfallen. Nach den starken BIP-Zahlen aus Deutschland dürfte die bereits vorläufig veröffentlichte BIP-Wachstumsrate im Euroraum für das erste Quartal von 0,5 Prozent zum Vorquartal bestätigt werden (Di.). Eher unterdurchschnittlich ist der Jahresbeginn dabei wohl in Italien verlaufen.
Der Blick in die Zukunft bleibt für die Währungsunion aber freundlich. So dürften die ZEW Konjunkturerwartungen für Deutschland und Euroland für Mai nach dem Wahlsieg von Emmanuel Macron in Frankreich und der insgesamt positiven Marktentwicklung aufwärtsgerichtet bleiben (Di.). Die Einschätzung der aktuellen Konjunkturlage sollte in Deutschland auf hohem Niveau ebenfalls noch etwas zugelegt haben.

Preisseitig ist von der endgültigen Inflationsrate für den Euroraum im April keine Überraschung zu erwarten (Mi.). Der Sondereffekt des späten Osterfestes hat sowohl die Gesamtrate als auch die Kernrate über steigende Preise für Pauschalreisen deutlich angehoben. Dieser Effekt wird jedoch nicht von Dauer sein. Ein Rückgang der Inflationsrate im Mai ist bereits absehbar.
In den USA stehen diese Woche nur wenige Konjunkturdaten zur Veröffentlichung an. Im Fokus steht dabei die Industrieproduktion für April, die moderat zum Vormonat zugelegt haben sollte (Di.). Stark dürfte die Dynamik erneut im Bergbau ausgefallen sein, zu dem auch die Fracking-Industrie gehört. Hier sollte die Produktion mit Blick auf die weiter gestiegene Anzahl aktiver Ölbohrungen und den im April etwas höheren Ölpreis deutlich gesteigert worden sein. Dagegen dürfte das Verarbeitende Gewerbe wie in den vergangenen Monaten eine nur moderate Produktionsdynamik ausweisen und die Energieproduktion sollte sogar einen leichten Rückgang verbucht haben.

Der Häuserbau hat wohl im April nach einer kurzen Verschnaufpause im März wieder deutlich zugelegt (Di.). Darauf weisen die gestiegenen Zahlen zu Baugenehmigungen und bewilligten Hypothekenkrediten im März hin. Die Perspektiven für die US-Wirtschaft bleiben gleichfalls positiv. So dürfte der Frühindikator der Philadelphia-Fed im Mai zwar etwas zum Vormonat gefallen sein. Mit einem Stand von 19,5 Punkten sollte er aber weiterhin für eine robuste Belebung der US-Konjunktur in den kommenden Monaten sprechen (Do.).

In Japan sollte das Bruttoinlandsprodukt mit einem Plus von 0,4 Prozent zum Vorquartal ins Jahr 2017 gestartet sein (Do.). Für eine starke Konjunkturdynamik im ersten Quartal sprechen sowohl die robusten Daten für den Einzelhandel wie auch die starken Außenhandelszahlen. Damit würde die japanische Wirtschaft das fünfte Quartal in Folge wachsen, was die längste Wachstumsphase seit 2006 wäre.

Die wichtigsten Konjunkturdaten der neuen Woche

MonatPrognoseLetzter
Montag, 15.5.2017
Industrieproduktion China (% zum Vorjahr)April77.6
Empire State-Index USA (Punkte)Mai7.55.2
NAHB Wohnungsmarkt-Index USA Mai6868
Dienstag, 16.5.2017
BIP Euroland (% zum Vorquartal, 2. Veröff.)Q10.50.5
ZEW-Konjunkturerwartungen Deutschl. (Punkte)Mai2119.5
ZEW-Konjunkturerwartungen Euroland (Punkte)Mai27.526.3
Wohnungsbaubeginne USA (Tsd.)April12501215
Industrieproduktion USA (% zum Vormonat)April0.40.5
Mittwoch, 17.5.2017
Auftragseing. Maschinenbau Japan (% zum Vorm.)März2.51.5
Verbraucherpreise Euroland (% zum Vorjahr)April1.91.5
Verbraucherpr. Kernrate Euroland (% zum Vorjahr)April1.21.2
Donnerstag, 18.5.2017
BIP Japan (% zum Vorquartal)Q10.40.3
Philly Fed-Index USA (Punkte)Mai19.522
Freitag, 19.5.2017
Erzeugerpreise Deutschland (% zum Vorjahr)April3.23.1
Verbrauchervertrauen Euroland (Punkte)Mai-3-3.6