Es war der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi persönlich, der die Börsianer vergangene Woche in Aufregung versetzte. Bei der EZB-Konferenz im portugiesischen Sintra hatte er sich überraschend positiv zur Konjunktur geäußert: Alle Zeichen würden auf eine Festigung und Verbreiterung der wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone hinweisen; gleichzeitig seien die Einflüsse, die noch auf die Inflation drückten, vorübergehender Natur.

Die Worte des EZB-Chefs wurden an den Finanzmärkten dahingehend interpretiert, dass die Bereitschaft der Notenbank zur Straffung der Geldpolitik gestiegen sei. Folge: Der Euro legte deutlich zu und die Anleiherenditen, beispielsweise von Bundesanleihen, gingen nach oben. An den europäischen Aktienmärkten hinterließen die Äußerungen Draghis ebenfalls ihre Spuren. Der DAX verlor im Laufe der Woche kontinuierlich und der EURO STOXX 50 setzte seinen Mitte Mai begonnenen Konsolidierungsmodus fort.

Hierbei mussten zinsempfindliche Branchen wie Energieversorger, Telekommunikation und Immobilien überdurchschnittliche Kursverluste hinnehmen. Demgegenüber konnten Bankaktien von der steiler werdenden Zinsstrukturkurve profitieren und Kursgewinne verbuchen. Positiv war zu Beginn letzter Woche zudem die staatlich unterstützte Abwicklung der angeschlagenen italienischen Veneto-Banken aufgenommen worden.

Konjunkturdaten stützen Kurse

Gedämpft wurde die Schwäche der Aktienmärkte von den jüngsten Konjunkturdaten. In Deutschland überraschte der ifo-Geschäftsklimaindex positiv und stieg auf einen Rekordwert. Dabei verbesserte sich die am Aktienmarkt stark beachtete Komponente für die Geschäftserwartungen weiter von 106,5 auf 106,8 Punkte.
Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie im Euroraum kletterte um 0,4 auf 57,4 Punkte, den höchsten Stand seit rund sechs Jahren. Bei mehr als 50 Zählern signalisiert das Barometer ein Wachstum. „Die Exporte, die ja in den vergangenen Monaten nicht zuletzt dank des schwachen Euro so stark zugelegt haben wie seit sechs Jahren nicht mehr, liefern nach wie vor wichtige Wachstumsimpulse“, sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson: „Allerdings profitieren die Unternehmen momentan auch von der anhaltend starken Verbrauchernachfrage in den jeweiligen Binnenmärkten.“
Die Manager blicken optimistisch in die nähere Zukunft. Sie bewerteten ihre Geschäftsaussichten so gut wie seit fünf Jahren nicht mehr, während die Auftragsbestände sogar so deutlich zulegten wie seit sieben Jahren nicht mehr. „Es gibt jedenfalls keinerlei Anzeichen dafür, dass die beeindruckende Industriekonjunktur nur von kurzer Dauer sein könnte“, sagte Williamson. „Die Beschäftigung legt vor dem Hintergrund der robusten Nachfrage in rekordverdächtigem Tempo zu.“
Die meisten Euro-Länder beschleunigten ihr Wachstum, vom krisengeplagten Griechenland bis hin zu Frankreich, Italien, den Niederlanden, Irland, Griechenland und Österreich. Das Barometer für die deutsche Industrie kletterte auf 59,6 Zähler und damit auf den höchsten Stand seit rund sechs Jahren. Ihre Aufträge nahmen so kräftig zu wie zuletzt im März 2011, die Exportaufträge erreichten sogar ein Sieben-Jahres-Hoch.
Für die USA, wo die positiven Überraschungen bei den Konjunkturzahlen zuletzt deutlich weniger geworden sind, gab es zumindest einige erfreuliche Daten. So stieg der Conference Board Index des Verbrauchervertrauens unerwartet an und der Richmond Fed Manufacturing Index erholte sich etwas stärker als erwartet, nachdem er im Vormonat einem kräftigen Rückgang hinnehmen musste.

Inflation bleibt niedrig

Die Inflationsrate der Eurozone blieb im Juni weiter deutlich unter dem mittelfristigen EZB-Ziel von knapp zwei Prozent. Sie fiel von 1,4 Prozent im Mai auf nun 1,3 Prozent. Der Rückgang ist maßgeblich auf die Energiepreise zurückzuführen, die im Juni um 0,8 Prozent gegenüber Vormonat gesunken sind.

Zwar stieg die Kernteuerungsrate – bei der Energie, Nahrungs- und Genussmittelpreise unberücksichtigt bleiben – stärker als erwartet um 0,2 Prozentpunkte auf 1,1 Prozent.
Allerdings dürfte der Anstieg der Rate durch Sondereffekte überzeichnet sein. Dies lässt unter anderem der stärkere Preisanstieg bei Pauschalreisen in Deutschland vermuten. Experten gehen nach wie vor davon aus, dass die Kernteuerungsrate in den nächsten Monaten nicht nachhaltig über die Ein-Prozent-Marke steigen wird. Dafür spricht nicht zuletzt, dass importierte Güter dank der jüngsten Aufwertung des Euro billiger werden.
Bundesbanker für Abkehr von extrem leichter Geldpolitik

Die niedrig bleibende Inflation spricht gegen eine baldige Zinsanhebung der EZB. Auf eine Abkehr von ihrer ultralockeren Geldpolitik scheint sich die Notenbank aber allmählich vorzubereiten. Dafür sprechen nicht nur die Worte Draghis, mit denen er die Finanzmärkte in Aufruhr versetzt hat, sondern auch aktuelle Aussagen anderer europäischer Notenbanker, wie beispielsweise Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. „Das kommt hoffentlich und daran arbeiten wir auch, das diskutieren wir auch“, sagte er in Frankfurt beim Tag der Offenen Tür der Bundesbank. Die Kernherausforderung, vor der die Euro-Notenbanker jetzt stünden, sei es, wenn es darauf ankomme, Rückgrat zu zeigen und die Geldpolitik wieder zu normalisieren. Dabei sollten sich die Euro-Wächter nicht von den Finanzministern unter Druck setzen lassen, die wegen der Niedrigzinsen zurzeit in einer bequemen Lage seien.
Kurz vorher hatte EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger gefordert, die Währungshüter sollten schon jetzt Vorkehrungen für eine spätere Eindämmung der Geldflut treffen. Zwar sei die Inflation noch nicht auf einem stabilen Trend hin zum EZB-Ziel von knapp zwei Prozent. Aber alle Voraussetzungen dafür seien gegeben. Entsprechend gelte es, die Kommunikation anzupassen.
Angesichts positiver Konjunkturdaten hatte die EZB jüngst einen Mini-Schritt in Richtung Kurswechsel gewagt. So strichen Draghi und Co. die lange Zeit stets erwähnte Option auf noch tiefere Leitzinsen aus ihrem Ausblick. An den Märkten wird aktuell spekuliert, dass die EZB nächstes Jahr ihre Wertpapierkäufe schrittweise reduzieren könnte. Manche Volkswirte erwarten, dass sie einen solchen Schritt im September oder im Oktober ankündigen wird.
Größere Risiken für Aktien dürften aber eher von der US-Notenbank Fed ausgehen. Schließlich ist diese im geldpolitischen Straffungszyklus deutlich weiter. Hinzu kommt, dass deren Leitzinsprojektionen merklich über den aktuellen Markterwartungen liegen. Einen Risikofaktor stellen auch die optimistischen Konjunkturerwartungen (insbesondere in der Eurozone) dar, sofern sie enttäuscht werden. Anleger sollten davon ausgehen, dass die Entwicklung an den Aktienmärkten in den nächsten Monaten holpriger und tendenziell seitwärts verläuft.

Was die neue Woche bringt

In der Eurozone stehen diese Woche „harte“ Konjunkturdaten für Mai im Fokus. Es ist nicht zu erwarten, dass die Produktionsdaten die Euphorie der Stimmungsindikatoren bestätigen. So dürfte die Produktion in Deutschland gegenüber April nur moderat gestiegen sein (Fr.). Die Auftragseingänge der Industrie haben in Deutschland im Mai zwar voraussichtlich zugelegt (Do.). Dies ist allerdings vor dem Hintergrund der schwachen Entwicklung im April zu sehen und deutet nicht auf eine deutliche Belebung der Nachfrage hin. Die Protokolle zur Juni-Sitzung der EZB werden zeigen, wie groß die Unterstützung zur Änderung des Ausblicks (Forward Guidance) war und ob weitergehende Anpassungen diskutiert wurden (Do.).
In den USA steht der Arbeitsmarkt im Mittelpunkt des Interesses. Beobachter gehen davon aus, dass sich der Stellenaufbau im Juni normalisiert hat, nachdem er im Mai auf Grund eines statistischen Sondereffekts schwach ausgefallen war (Fr.). Die Arbeitslosenrate könnte zwar leicht gestiegen sein. Verantwortlich hierfür ist aber, dass Personen, die im Mai in den Umfragen nicht erfasst wurden, nun wieder mitgezählt werden. Die insgesamt robuste Arbeitsmarktentwicklung sollte von einem gemäßigten Lohndruck von monatlich 0,2 Prozent in der Privatwirtschaft begleitet werden.

Demgegenüber sollte sich die Unternehmensstimmung sowohl im Verarbeitenden Gewerbe (Mo.) als auch im Dienstleistungssektor (Do.) im Juni weiter eingetrübt haben. Einer der Hauptgründe hierfür ist die fehlende Planungssicherheit der Unternehmen vor dem Hintergrund der Unsicherheit über Gestalt und Zeitpunkt der angekündigten Steuer- und Gesundheitsreformen. Deshalb halten sich viele Firmen mit Einstellungen und Investitionen zurück. Hinzu kommt der schwächere Ölpreis, der Fracking-Unternehmen und die Zulieferindustrie belastet.

Von Seiten der Fed dürfte das Protokoll zur Juni-Sitzung Aufschluss darüber geben, wie die Entscheidung für eine Zinsanhebung zu Stande kam (Mi.). Zudem dürfte die Diskussion um den im Juni veröffentlichten sehr ambitionierten Bilanzabbauplan offen gelegt werden.
Was die Politik betrifft, steht das Treffen der G20 Staats- und Regierungschefs in Hamburg (Fr./Sa.) auf der Agenda. Mit Spannung wird dabei das Aufeinandertreffen von US-Präsident Trump mit Kanzlerin Merkel erwartet. Die deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen sind getrübt, unter anderem weil US-Präsident Donald Trump die Erhebung von Zöllen u.a. gegen deutsche Stahlimporte von seinem Handelsministerium prüfen lässt. Im Fokus steht zudem das Zusammentreffen des US-Präsidenten mit seinem Amtskollegen aus Russland, da gegen Trumps Wahlkampfteam wegen möglicher Kontakte zur russischen Regierung ermittelt wird.

Die wichtigsten Konjunkurdaten der neuen Woche

MonatPrognoseLetzter
Montag, 3.7.2017
PMI Caixin Verarb. Gewerbe China (Punkte)Juni49.949.6
PMI Verarb. Gewerbe USA (Punkte)Juni52.252.1
ISM-Index Verarb. Gewerbe USA (Punkte)Juni54.354.9
Dienstag, 4.7.2017
keine wichtigen Daten
Mittwoch, 5.7.2017
PMI Caixin Dienstleistungen China (Punkte)Juni52.952.8
PMI Dienstleistungen Deutschland (Punkte)Juni53.753.7
PMI Dienstleistungen Euroland (Punkte)Juni54.754.7
Einzelhandelsumsatz Euroland (% zum Vorm.)Mai0.30.1
Auftragseingang Industrie USA (% zum Vorm.)Mai-0.4-0.2
Donnerstag, 6.7.2017
Auftragseing. Industrie Deutschland (% zum Vorm.)Mai2-2.1
Handelsbilanz USA (Mrd. US-$)Mai-46.2-47.6
ISM-Index Dienstleistungen USA (Punkte)Juni56.556.9
Freitag, 7.7.2017
Industrieproduktion Deutschland (% zum Vorm.)Mai0.30.8
Beschäftigung USA (Tsd. Zum Vormonat)Juni179138
Arbeitslosenrate USA (%)Juni4.44.3