Die Aktienmärkte dümpelten vergangene Woche überwiegend vor sich hin. Belastend wirkte vor allem die geopolitische Lage, insbesondere die Spannungen zwischen Nordkorea und den USA. Nachdem Nordkorea eine Interkontinentalrakete testete, herrscht an den Märkten Unklarheit darüber, wie die Amerikaner auf diese Provokation reagieren. US-Präsident Donald Trump kündigte harte Konsequenzen an.
Von Seiten der Konjunkturdaten kamen demgegenüber eher stützende Impulse für die Börsen. Mit Spannung war vor allem der aktuelle US-Arbeitsmarktbericht erwartet worden. Waren die Mai-Zahlen enttäuschend ausgefallen, rechneten Ökonomen für den Juni mit 170.000 neuen Jobs. Gemeldet wurde sogar ein Beschäftigungsplus von 222.000, also deutlich mehr als erwartet. Zudem wurde der Stellenzuwachs in den Vormonaten um 47.000 nach oben revidiert.

US-Arbeitsmarkt spricht für weitere Fed-Zinserhöhung

Der kräftige Beschäftigungszuwachs hat allerdings teilweise mit einem Kalendereffekt zu tun. Der Termin für die Erhebung der Zahlen war im Mai ungewöhnlich früh im Monat, was den Stellenzuwachs gedämpft hatte. Im Juni kam es dann zu einer Gegenbewegung. In den vergangenen sechs Monaten wurden durchschnittlich 180.000 Jobs pro Monat geschaffen. Auf mittlere Sicht ist eine Verlangsamung unvermeidlich, da nahezu Vollbeschäftigung erreicht ist. Das bedeutet, dass das Bevölkerungswachstum den Jobzuwachs begrenzt. Viel mehr als 100.000 neue Jobs pro Monat sind auf längere Sicht unwahrscheinlich.

Die Arbeitsmarktdaten signalisieren, dass Befürchtungen um eine US-Wirtschaftsschwäche übertrieben sind, zumal auch das Geschäftsklima günstig ist, wie die jüngsten ISM-Umfragen belegen. Was bedeutet das für die Geldpolitik in den USA? Klar ist, dass bei der Fed derzeit auch viel von der Inflationsentwicklung abhängt. So wurde im Protokoll der Juni-Sitzung deutlich, dass der Leitzins angehoben wurde, weil „die meisten“ Diskutanten die aktuelle Inflationsschwäche als vorübergehend ansahen. Nur einige wenige Fed- Mitglieder äußerten Bedenken, dass die schwachen Inflationszahlen anhalten könnten.

Der Zeitpunkt für künftige Maßnahmen hängt entscheidend von Größe und Einfluss dieser Gruppen ab. Denn die „Inflationszweifler“ haben zwar für den Zinsschritt im Juni gestimmt, gemäß Protokoll aber eine hohe Unsicherheit geäußert, ob der Leitzins in diesem Umfeld weiter erhöht werden soll. Ähnliches gilt für den Beginn des Bilanzabbaus. Diesen erwartet eine kleine Mehrheit der FOMC-Mitglieder bereits in „ein paar Monaten“ (September). Andere wollen diesen Schritt auf einen späteren Termin verschieben (Dezember). Die Mehrheit der Experten geht davon aus, dass sich die Bedenken nicht so schnell legen werden und deshalb der Beginn der Bilanzkürzung erst im Dezember angekündigt wird.
Deutschland weiter auf Wachstumskurs

Gute Konjunkturzahlen wurden aber nicht nur für die USA, sondern auch für Deutschland gemeldet. So hat die hiesige Industrieproduktion mit einem Plus von 1,2 Prozent gegenüber dem Vormonat im Mai die Erwartungen der Analysten deutlich übertroffen. Damit lag die Produktion im April und Mai immerhin fast zwei Prozent über dem Durchschnitt des ersten Quartals. Dies deutet auf einen spürbaren Beitrag der Industrie zum Wachstum der deutschen
Wirtschaft hin. Vor dem Hintergrund starker Stimmungsindikatoren wie dem Einkaufsmanagerindex und dem ifo-Geschäftsklima scheint das kräftige Plus bei der Produktion zunächst einmal wenig überraschend. Allerdings haben sich die Auftragseingänge zuletzt verhalten entwickelt, so dass der Trend für die Industrieproduktion derzeit nur seitwärts verläuft und deutlich unter dem Mai-Niveau liegt.

Nichtsdestotrotz dürfte die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal ihr flottes Wachstumstempo beibehalten haben. Besonders der private Verbrauch entwickelte sich dank zuletzt wieder sinkender Ölpreise und weiter kräftig steigender Beschäftigung günstiger als
erwartet. Für das Gesamtjahr kalkulieren viele Volkswirte mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von gut eineinhalb Prozent. 2017 ist sogar noch ein Tick mehr drin.
Überhitzungsdebatte hat begonnen

Die gut laufende Konjunktur hat inzwischen dazu geführt, dass einige Fachleute vor einer Überhitzung warnen. Die Ökonomen der Deutschen Bank weisen in einer aktuellen Studie darauf hin, dass der enge Arbeitsmarkt bei den Anfang 2018 anstehenden Tarifverhandlungen zu steigenden Lohnabschlüssen von teilweise deutlich über drei Prozent führen könnte. Angesichts zusätzlicher fiskalischer Impulse nach der Bundestagswahl und einer weiterhin extrem lockeren Geldpolitik steige das Überhitzungsrisiko zumindest in Teilbereichen
der deutschen Wirtschaft zusehends an. Zudem könnte der Immobilienboom zusammen mit hohen Erbschaften selbst im konservativen Deutschland zu Vermögenseffekten führen, die das Konsumverhalten der Bürger beeinflussen.

Natürlich verfolgen auch die Notenbanker der Eurozone die Überhitzungsdebatte aufmerksam. Nachdem die Märkte jüngst stark auf die Rede von EZB-Chef Mario Draghis im portugiesischen Sintra reagiert hatten, beschwichtigten letzte Woche einige europäische Währungshüter die Finanzmärkte. EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger erklärte zwar, dass der Weg in die Normalität nur eine Frage der Zeit sei. Der Inflationstrend sei aber noch nicht auf einem beständigen Pfad in Richtung EZB-Ziel. Direktoriumsmitglied Peter Praet betonte, die Inflationsrate sei zum Großteil noch immer abhängig von der lockeren Geldpolitik. Es brauche mehr Zeit, um überzeugende Inflationstrends in den einzelnen Eurostaaten aufzuzeigen.
Trotz eines soliden Wachstums werde eine „ruhige Hand“ und vor allem Geduld benötigt, um auf einen stabileren Inflationspfad zu gelangen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann zeigte sich gewohnt kritisch gegenüber dem Wertpapier-Kaufprogramm. Dennoch hält er den expansiven Kurs insgesamt für gerechtfertigt, solange ein wirtschaftlicher Aufschwung und steigende Inflationserwartungen ausbleiben. Das Protokoll zur Juni-Sitzung der EZB zeigte, dass die Notenbanker bereits erwogen hatten, auch den Ausblick (Forward Guidance) zu den Anleihekäufen anzupassen und den Satz über die Bereitschaft zur QE-Ausweitung im Falle einer niedrigeren Inflation aus dem Statement zu streichen.

Starke Kapitalmärkte im ersten Halbjahr 2017

Die lockere Geldpolitik der großen Zentralbanken war der Entwicklung der Kapitalmärkte im erste Halbjahr 2017 durchaus förderlich: 26 der größten 30 Aktienmärkte erzielten ein Kursplus, darunter der S&P 500 mit dem besten Halbjahr seit 2013. Einige der Bedingungen, die für dieses und das kommende Jahr kräftig steigende Unternehmensgewinne erwarten ließen, haben sich mittlerweile etwas verschlechtert. Dazu gehören die seit Anfang des Jahres gesunkenen US-Kapitalmarktrenditen und der schwache Ölpreis. Das könnte die jeweiligen Branchengewinne weniger stark positiv beeinflussen als zunächst angenommen. Hinzu kommt, dass bislang kaum finanzpolitische Programme aufgelegt wurden, wie es zunächst viele Börsianer, speziell auf Grund der Versprechen Trumps zu Beginn seiner Amtszeit, erwartet hatten.
Die globalen volkswirtschaftlichen Frühindikatoren bestätigen allerdings die Hochstimmung an den Aktienmärkten; sie zeigen mit nur wenigen Ausnahmen eine Expansion an. Gleichzeitig schwimmen die Märkte in Liquidität. Und: Rekordgewinne bei den Firmen führen in Verbindung mit den niedrigen Zinsen dazu, dass speziell US-Unternehmen Aktien zurückkaufen und die Dividendenausschüttungen erhöhen. Das jüngste Beispiel hierfür lieferten die großen US-Banken, die nach dem grünen Licht durch die Aufsicht ihre Programme für einen erhöhten „Shareholder Return“ deutlich aufstockten.
Sofern die fundamentale Gewinnentwicklung weiterhin gut läuft und die großen Zentralbanken es schaffen, den Expansionsgrad in den nächsten Quartalen behutsam zu reduzieren, sollte die Entwicklung der Aktienmärkte weiter in ruhigen Bahnen verlaufen. Störfaktoren, etwa in Form geopolitischer Konflikte, sind jedoch an den Aktienmärkten nie auszuschließen – nicht zuletzt deshalb, weil die Kursentwicklung in den vergangenen Monaten außergewöhnlich ruhig und ohne große Ausschläge verlief. Beim Dax scheint ein Rücksetzer überfällig, bisher korrigierte der deutsche Leitindex 2017 in der Spitze um nicht mehr als fünf Prozent.

Was die neue Woche bringt

Nach den starken Vorgaben aus Deutschland und Frankreich dürfte auch die Produktion im Euroraum im Mai spürbar zugelegt haben (Mi.). Die endgültigen Veröffentlichungen der Juni-Ergebnisse zur Inflation dürften keine Überraschungen bergen (Do.). Das Sentix-Investorenvertrauen für die Eurozone im Juli sollte noch etwas zugelegt haben und die Konjunktureuphorie befeuern (Mo.). In Deutschland komplettieren die Außenhandelsdaten den Kranz harter Konjunkturdaten für Mai (Mo.). Sowohl Ein- als auch Ausfuhren dürften zum Vormonat erneut gestiegen sein.
In den USA blicken Anleger diese Woche vor allem auf die ersten Inflationszahlen für Juni (Fr.). Auf Seite der Inflationstreiber stehen einer insgesamt robusten Lohnentwicklung rückläufige Einfuhrpreise gegenüber. Entsprechend dürfte die monatliche Kernteuerung nur leicht zugelegt und die Jahresrate auf 1,7 Prozent gehalten haben. Die Energiepreise sollten mit Blick auf die gefallenen Öl- und Gaspreise in den USA dagegen nachgegeben haben. Daher dürfte die Inflationsrate im Jahresvergleich um weitere 0,2 Prozentpunkte auf nur noch 1,7 Prozent gesunken sein.
Solche Zahlen würden der Fed die Entscheidung für einen weiteren Straffungsschritt erschweren und eine erneute Zinsanhebung bereits im Juli unwahrscheinlicher machen. Positivere Nachrichten dürften von den „harten“ Konjunkturdaten für Juni kommen. So sollte der Einzelhandel seine Umsätze leicht gesteigert haben, nachdem im Mai noch ein deutlicher Umsatzrückgang verbucht wurde (Fr.). Ohne die bremsenden Automobilverkäufe sollte ein Plus von 0,2 Prozent zum Vormonat zu Buche stehen. Auch die Industrieproduktion dürfte im Juni wieder zugelegt haben (Fr.).
Auf geldpolitischer Seite steht der Rechenschaftsbericht von Fed-Chefin Janet Yellen vor dem US-Kongress im Fokus (Di./Mi.). Sie könnte Hinweise geben, ob die Mehrheit der FOMC-Mitglieder an der geplanten Exit-Strategie festhält oder ob die zuletzt schwache Inflation für ein langsameres Vorgehen spricht.
Mit dem Start der US-Berichtsaison könnte das Interesse der Investoren wieder verstärkt auf die fundamentale Situation der Unternehmen gelenkt werden. Spannend wird es am Freitag, da berichten die ersten Finanzschwergewichte wie Citigroup, JP Morgan oder Wells Fargo die Zahlen für das zweite Quartal. Laut Analystenschätzungen dürfte das aggregierte Gewinnwachstum für den S&P 500 im zweiten Quartal bei 7,4 Prozent gelegen haben, für das Gesamtjahr 2017 wird ein Anstieg von 12,0 Prozent erwartet.

 

Die wichtigsten Konjunkturdaten der kommenden Woche

MonatPrognoseLetzter
Montag, 10.7.2017
Auftragseing. Maschinenbau Japan (% zum Vorm.)Mai1.6-3.1
Verbraucherpreise China (% zum Vorjahr)Juni1.61.5
Exporte Deutschland (% zum Vormonat)Mai0.30.9
Importe Deutschland (% zum Vormonat)Mai0.41.2
Sentix Investorenvertrauen Euroland (Punkte)Juli28.228.4
Dienstag, 11.7.2017
keine wichtigen Daten
Mittwoch, 12.7.2017
Industrieproduktion Euroland (% zum Vormonat)Mai0.30.5
Donnerstag, 13.7.2017
Exporte China (% zum Vorjahr)Juni98.7
Importe China (% zum Vorjahr)Juni1414.8
Verbraucherpreise Deutschland (% zum Vorjahr)Juni1.61.6
Erzeugerpreise USA (% zum Vorjahr)Juni1.82.4
Freitag, 14.7.2017
Einzelhandelsumsatz USA (% zum Vormonat)Juni0.1-0.3
Verbraucherpreise USA (% zum Vorjahr)Juni1.71.9
Verbraucherpreise Kernrate USA (% zum Vorjahr)Juni1.71.7
Industrieproduktion USA (% zum Vormonat)Juni0.30
Uni Michigan Konsumentenvertrauen USA (Punkte)Juli9595.1