Das Verfassungsreferendum in der Türkei war zweifellos das wichtigste politische Ereignis der vergangenen Woche. An den Börsen dürfte es aber kaum Spuren hinterlassen, zumal ein knapper Erfolg für Präsident Recep Tayyip Erdogan erwartet worden war. Vor dem Hintergrund gemischter Konjunkturzahlen und anhaltender geopolitischer Unsicherheiten schwächelten die Aktienmärkte allerdings zuletzt. Dennoch konnte sich der Dax knapp oberhalb der 12.000-Punkte-Marke halten.
Auffallend ist, dass die Nervosität bei den Anlegern zugenommen hat. Darauf deutet der merkliche Anstieg der impliziten Volatilität hin, die als Unsicherheitsindikator interpretiert werden kann. So stieg der Volatilitätsindex VDAX-NEW von rund 15 Punkten Anfang April auf gut 20 Punkte. Der VIX, der die implizite Volatilität des S&P 500 widerspiegelt, legte ebenfalls zu und erreichte mit rund 16 Zählern einen Jahreshöchststand.

Wahl in Frankreich rückt in den Fokus
Die gestiegene Unsicherheit dürfte vor allem auf die erhöhten geopolitischen Spannungen zurückzuführen sein. Die Anleger werden durch eine Reihe von Krisenherden in Atem gehalten, wie den nicht enden wollenden Krieg in Syrien, das sich verschlechternde und allmählich an den kalten Krieg erinnernde Verhältnis der USA zu Russland, aber auch das Thema Nordkorea, wo das Säbelrasseln mit der Verlegung eines US-Flugzeugträgerverbandes in Richtung der koreanischen Halbinsel sowie einem erneuten Atomtest Nordkoreas neue Eskalationsstufen erreicht.
Hinzu kommt, dass mit dem Näherrücken der Präsidentschaftswahl in Frankreich in Europa die Unsicherheit ebenfalls steigt. Zuletzt hat das Vorrücken des linken Kandidaten Jean-Luc Mélenchon bei den Zustimmungswerten die Märkte beunruhigt. Dieser liegt in den Umfragen zwar weiterhin hinter dem unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron und Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National. Der Abstand beträgt nach neuesten Umfragen jedoch nur noch drei bis vier Prozentpunkte. Beim am 23. April stattfindenden ersten Wahlgang zeichnet sich deshalb ein Kopf-an Kopf-Rennen ab. Am wahrscheinlichsten bleibt trotzdem, dass Le Pen und Macron die erste Runde gewinnen. Die Stichwahl am 7. Mai würde dann Umfragen zufolge Macron für sich entscheiden.

Trump überrascht mit Yellen-Aussage
In den USA sorgt weiterhin Präsident Donald Trump für Aufsehen. Überraschend ist er zuletzt von seiner massiven Kritik an Notenbankchefin Janet Yellen abgewichen. Er schließt nun sogar eine zweite Amtszeit für sie nicht mehr aus. In einem Interview mit dem „Wall Street Journal“ antwortete Trump auf die Frage, ob Yellen nach ihrer jetzigen Amtszeit keine Chance auf eine weitere habe, dass dies nicht der Fall sei.
Es sind seine bisher konkretesten Aussagen als Präsident zu diesem Thema, das an den Finanzmärkten eine wichtige Rolle spielt. Nach seiner scharfen Kritik an Yellen im Wahlkampf ging man allgemein davon aus, dass die Notenbank-Chefin nach ihrer im Februar 2018 endenden Amtszeit abtreten muss. Jetzt sagte Trump überraschenderweise, er respektiere Yellen.
Im Wahlkampf hatte Trump ihr mehrmals vorgeworfen, die Zinsen künstlich niedrig zu halten, um Barack Obama und die Demokraten vor Turbulenzen am Aktienmarkt zu schützen. Nun sagte er, er bevorzuge ebenfalls niedrige Zinsen. Obwohl der Fed-Leitzins unter Yellen bereits gestiegen ist, liegt er mit rund einem Prozent historisch betrachtet noch immer auf einem sehr niedrigen Niveau.
Derweil äußern Fed-Vertreter die Ansicht, dass noch in diesem Jahr mit dem Abbau der billionenschweren Fed-Bilanz zu rechnen sei. Wegen der Finanzkrise hatte die US-Zentralbank über den Kauf von Wertpapieren massiv Geld in die Wirtschaft gepumpt und so ihre Bilanz auf 4,5 Billionen Dollar aufgebläht. Nach der Erholung auf dem US-Arbeitsmarkt und einem kräftigen Anstieg der Inflation möchte die Fed den hohen Bestand an Wertpapieren nun sukzessive abbauen, indem das Geld aus fällig werdenden Anleihen nicht mehr für den Kauf neuer Wertpapiere verwendet wird. Die Notenbank wird dabei sicherlich marktschonend vorgehen, weshalb sich dieser Prozess über Jahre hinziehen dürfte. Andernfalls würde sie einen scharfen Anstieg der Kapitalmarktzinsen riskieren – mit möglicherweise schlimmen Folgen für die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft.

ZEW-Konjunkturerwartungen steigen deutlich
Von den Konjunkturdaten kamen vergangene Woche gemischte Impulse. So blieb die Industrieproduktion in der Eurozone im Februar mit einem Plus von 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr unter den Erwartungen – trotz positiv überraschender Daten aus Deutschland. Stärker als erwartet fiel dagegen der Anstieg des ZEW-Index der Konjunkturerwartungen für Deutschland aus, der sich von 12,8 auf 19,5 Punkte verbesserte (Konsens: 14,8 Punkte). Damit scheint die Schwächephase zu Jahresbeginn endgültig überwunden. Ein höherer Stand der Konjunkturerwartungen wurde zuletzt im August 2015 erreicht.

Außerhalb Deutschlands war im April in den meisten Ländern ebenfalls eine Stimmungsverbesserung zu beobachten, insbesondere in Frankreich. Verschlechtert hat sich die Konjunkturerwartung indes erneut für die USA. Nach dem nun dritten Rückgang in Folge sind die Erwartungen der befragten Analysten das erste Mal seit Jahresmitte 2016 unter die Konjunkturerwartungen in Euroland gefallen.

Vor dem Hintergrund der Auslösung des Brexit-Prozesses sowie der Diskussion über dessen Ausgestaltung haben sich die Konjunkturerwartungen für Großbritannien auf sehr niedrigem Niveau nur geringfügig verbessert. Weiterhin geht fast die Hälfte der Analysten auf Sicht von sechs Monaten von einer schlechteren Konjunktur auf der Insel aus.

Was die Inflation betrifft, haben sich im April die Erwartungen über alle Regionen hinweg leicht eingetrübt. Der Rückprall der Inflationsrate im März, zurückzuführen auf einen geringeren Basiseffekt bei Energiepreisen sowie die späte Lage des Osterfestes, hat den Inflationsphantasien eine kalte Dusche verpasst.

Allerdings hat das an den Zinserwartungen nur wenig verändert. Während im Euroraum weiterhin nur wenige Analysten von einer Zinsanhebung der Europäischen Zentralbank (EZB) auf Sicht von sechs Monaten ausgehen (13,4 Prozent aller Analysten), ist ein Zinsanstieg in den USA unverändert die Mehrheitsmeinung (90,5 Prozent).

Insgesamt deuten die ZEW-Konjunkturerwartungen darauf hin, dass die Erwartungen an eine Fortsetzung des Aufschwungs in Europa und insbesondere in Deutschland hoch sind. Die politische Unsicherheit könnte aber in den kommenden Monaten die Stimmung und die Konjunktur belasten, was nachlassenden Rückenwind für die Aktienmärkte bedeuten würde.

US-Berichtssaison läuft an
In den nächsten Wochen dürfte sich die Aufmerksamkeit der Börsianer verstärkt auf die US-Berichtssaison zum ersten Quartal 2017 richten. Im Durchschnitt erwartet der Markt ein Gewinnwachstum von neun Prozent. Dies wäre das stärkste Wachstum seit dem vierten Quartal 2011. Die ersten Unternehmensberichte, die inzwischen vorliegen, bestätigen die Markterwartung.

Der Ausblick auf das Gesamtjahr 2017 ist gleichfalls relativ optimistisch. Aktienanalysten kalkulieren derzeit mit einem Umsatzwachstum von rund fünf Prozent und einem Gewinnwachstum von zehn Prozent. Für 2018 wird sogar ein Ergebniswachstum von zwölf Prozent veranschlagt.

Was die neue Woche bringt
In der Eurozone dürften die Einkaufsmanagerindices (PMI) für April eine weiterhin gute Konjunkturstimmung anzeigen (Fr.). Darauf deuten die Ergebnisse der bereits veröffentlichten Sentix- und ZEW-Umfragen hin. Zwar ist es wahrscheinlich, dass die Frühindikatoren in den kommenden Monaten nicht weiter steigen. Aktuell dürften aber die Hoffnungen auf einen sanften Brexit nach diesbezüglichen Äußerungen aus Großbritannien die Stimmung der Unternehmen, insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe, weiter stützen.

In den USA sollte die Industrieproduktion im März nach einem witterungsbedingt beeinträchtigten Jahresstart wieder zugelegt haben (Di.). Denn die Temperaturen und damit die Stromnachfrage auf Grund der Heiztätigkeit haben sich normalisiert. Zudem dürfte der Bergbau, zu dem auch die Fracking-Ölindustrie gehört, im März ihren Output gesteigert haben. Der kurzfristige Preisrückgang des WTI-Ölpreises sollte die Dynamik der Förderausweitung allerdings etwas gebremst und zusammen mit einer rückläufigen Produktion im Verarbeitenden Gewerbe einen stärkeren Anstieg der Industrieproduktion insgesamt verhindert haben.

Die Aussichten für die amerikanische Industrie bleiben aber positiv. Der Frühindikator der Philadelphia-Fed dürfte zwar im April weiter zurückgegangen sein. Er spricht aber nach wie vor für eine dynamische Konjunkturentwicklung im Frühjahr (Do.). Ähnliches sollte auch der Markit PMI für das Verarbeitende Gewerbe signalisieren, der im April auf bei 53,5 Punkte gestiegen sein dürfte (Fr.). Der Häusermarkt entwickelte sich in den USA auch im März dynamisch. Lediglich ein Schneesturm an der Ostküste hat wohl manche Bauvorhaben verzögert. Deswegen sollten die Wohnungsbaubeginne nur leicht schwächer als im Februar ausgefallen sein (Di.).

 

Die wichtigsten Konjunkturdaten der neuen Woche

MonatPrognoseLetzter
Montag, 17.4.2017
Industrieproduktion China (% zum Vorjahr)März6.36
BIP China (% zum Vorjahresquartal)Q16.86.8
Empire State-Index USA (Punkte)April1516.4
NAHB Wohnungsmarkt-Index USA (Punkte)April7071
Dienstag, 18.4.2017
Wohnungsbaubeginne USA (Tsd.)März12601288
Industrieproduktion USA (% zum Vormonat)März0.40.1
Mittwoch, 19.4.2017
Verbraucherpreise Euroland (% zum Vorjahr)März1.51.5
Verbraucherpr. Euroland Kernrate (% zum Vorjahr)März0.70.7
Donnerstag, 20.4.2017
Philadelphia Fed-Index USA (Punkte)April25.532.8
Verbrauchervertrauen Euroland (Punkte)März-3-5
Freitag, 21.4.2017
PMI Verarb. Gewerbe Deutschland (Punkte)April58.258.3
PMI Dienstleistungen Deutschland (Punkte)April55.655.6
PMI Verarb. Gewerbe Euroland (Punkte)April56.456.2
PMI Dienstleistungen Euroland (Punkte)April55.956
PMI Verarb. Gewerbe USA (Punkte)April53.553.3
PMI Dienstleistungen USA (Punkte)April52.852.8