Umfangreiche Rechtsschutzversicherungen sind teuer und selten notwendig. Mehr Sinn ergibt es, Rechtsschutz für einzelne Lebensbereiche abzuschließen, zum Beispiel Verkehr oder Immobilien. Außerdem kann durch eine Selbstbeteiligung der Beitrag geringer ausfallen.

Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich zwei verschiedene Dinge. Ein Prozess verlangt Klägern und Beklagten viel ab, vor allem Geld, Geduld und Zeit. Im Zivilrecht richten sich die Prozesskosten nach der Höhe des Streitwertes. Je höher der Streitwert, desto mehr Mut verlangt es einem ab, den Schritt vor Gericht zu wagen. Rechtsschutzversicherungen können eine Erleichterung sein. Im Jahr 2015 bestanden rund 21,8 Millionen Rechtsschutzpolicen in Deutschland. Doch der Schutz hat seinen Preis: Ein gutes Gesamtpaket kostet im Jahr rund 200 Euro. Damit sich die Versicherung wirklich lohnt, sollten Verbraucher gewissenhaft ins Kleingedruckte schauen.

Auch Bettina Gerdom wollte auf ihre Rechtsschutzversicherung zurückgreifen, als sie Ärger mit ihrer Bank hatte, die ihr beim Hausumbau finanziell helfen sollte. „Ich wusste, dass es beim Umbau schnell mal Ärger gibt. Aber ich hatte ja eine Rechtsschutzversicherung, sogar mit Immobilienrechtsschutz“, sagt sie. Vereinbart war, dass die Bank die Handwerkerrechnungen direkt begleicht. Doch die Bank zahlte zu spät, in manchen Fällen gar nicht. Die Mahnungen erhielt Bettina Gerdom; die Arbeiten am Haus wurden eingestellt. Bettina Gerdom beauftragte einen Anwalt und fragte bei ihrer Versicherung nach. Doch diese teilte ihr mit, dass der Umbau nicht vom Versicherungsschutz gedeckt sei.

Leistungen
Es gibt Standardleistungen, die eine Rechtsschutzversicherung auf jeden Fall übernehmen sollte. Dazu gehören Anwalts- und Gerichtkosten sowie Zeugengelder und Sachverständigenhonorare. Das gilt jedoch nur, solange diese Kosten den gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren entsprechen oder die Untersuchung der Sachverständigen gerichtlich angeordnet wurde. Außerdem übernehmen die meisten Rechtsschutzversicherungen auch die Kosten der unterlegenen Gegenseite, falls diese zahlungsunfähig ist. Muss der Versicherungsnehmer die Kosten der Gegenseite tragen, springt die Versicherung ebenso ein. Nicht abgedeckt sind in aller Regel: Urheber- und Markenrecht, Spiel- oder Wettverträge, Kapitalanlagen und Streitigkeiten beim Hausbau. Dabei gibt es allerdings erhebliche Unterschiede unter den Anbietern: Einige Versicherungen decken dennoch einzelne Anlageformen ab, beispielsweise staatlich geförderte Altersvorsorge oder Sparverträge. Im Familien- und Erbrecht wird laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) meist nur die anwaltliche Beratung übernommen.

verbrauchertipp: Eine Versicherung ist kein Freischein zum Klagen. Viele Versicherungen haben eine Selbstbeteiligung zwischen 200 und 300 Euro. Außerdem springt die Versicherung nur dann ein, wenn Sie nach ihrer Einschätzung eine Chance haben, den Rechtsstreit zu gewinnen.

Arbeit, Wohnung, Verkehr
Streit kann in nahezu allen Lebenslagen entstehen: Der Arbeitgeber stellt ein schlechtes Zeugnis aus oder der Vermieter zahlt die Instandsetzung nicht. Nicht für alles lohnt sich der Gang zum Anwalt, aber wenn es ernst wird, schützt eine Versicherung vor hohen Kosten. Um nicht zu hohe Beiträge zu zahlen, lohnt es sich, den Versicherungsschutz auf bestimmte Bereiche zu beschränken. Die Möglichkeiten sind vielfältig: Arbeitsrechtsschutz deckt Streitigkeiten im Berufsleben ab, beispielsweise wegen Lohnzahlungen oder im Falle einer Kündigung. Das kann sinnvoll sein, da vor Arbeitsgerichten in erster Instanz die Kosten stets selbst getragen werden müssen. Der Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutz hilft beispielsweise bei Mieterhöhungen und Betriebskostenabrechnungen. Auch für Strafverfahren kann man sich versichern lassen, allerdings nur bei fahrlässiger Verletzung von Strafvorschriften und sofern das Strafmaß nicht ein Jahr Haft überschreitet.

Am häufigsten wird wohl über Verkehrsunfälle gestritten – dabei droht schnell ein hoher Streitwert. Der Verkehrsrechtsschutz greift ebenfalls, wenn man als Radfahrer, Fußgänger oder Fahrgast an einem Unfall im Straßenverkehr beteiligt ist. Ausgeschlossen sind jedoch Halte- und Parkverstöße. Geklärt werden muss, ob auch Widerspruchsverfahren vor der Verwaltungsbehörde gedeckt sind, beispielsweise der Widerspruch gegen den Entzug der Fahrerlaubnis. Da diese das Vorverfahren zur Klage darstellen, sollten sie im Schutz inbegriffen sein. Manchmal sind diese Leistungen im Paket „Schadensersatzsrechtsschutz“ inbegriffen. Außerdem ist bei einer Verkehrsschutzpolice wichtig zu klären, ob auch Familienmitglieder mitversichert sind, zum Beispiel als Beifahrer.

Diese Bausteine können je nach Anbieter miteinander kombiniert werden. Eine recht technische Übersicht hält der GDV in seinen Muster-Vertragsbedingungen bereit. Wer Rechtsschutz nur für einen konkreten Bereich benötigt, kann die Pakete einzeln abschließen. Die Kosten liegen unter 100 Euro pro Jahr. Außerdem kann eine höhere Selbstbeteiligung vereinbart werden, um den Beitrag zu senken.

Wartezeit beachten
Wer Angst vor einer Kündigung hat oder bald umzieht, wird sich womöglich für eine Rechtsschutzversicherung interessieren, um im Streitfall mit Arbeitgeber oder Vermieter besser dazustehen. Das kann ein guter Grund für den Abschluss einer Versicherung sein. Man sollte jedoch bedenken, dass die Versicherungen in aller Regel eine Wartezeit von drei Monaten haben. Das bedeutet, dass ab Vertragsbeginn drei Monate vergehen müssen, bis der Versicherte eine Leistung in Anspruch nehmen kann. Tritt also vor Abschluss der Versicherung oder innerhalb der Wartezeit der Versicherungsfall ein, wird die Versicherung die Kosten nicht übernehmen. Einige Anbieter verzichten auf die Wartezeit, wenn der Versicherungsnehmer bis zum Vertragsschluss bei einem anderen Anbieter versichert war.

Die dreimonatige Wartezeit besteht bei:
– Arbeitsrechtsschutz
– Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutz
– Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht
– Sozialgerichtsrechtsschutz
– Verkehrsverwaltungsrechtsschutz

Beim Beratungsrechtsschutz im Familien- und Erbrecht sowie bei Straf- und Ordnungswidrigkeiten besteht dagegen in aller Regel keine Wartefrist. Ebenso sind Verkehrsunfälle meist sofort abgedeckt.
Quelle: GDV

Wer ist versichert?
Neben dem Versicherungsnehmer ist laut GDV auch der Ehepartner mitversichert sowie minderjährige Kinder beziehungsweise Kinder bis zum 25. Lebensjahr, die noch keinen Beruf ausüben. Im Berufsrechtsschutz für Selbstständige sind auch die Angestellten des Versicherten geschützt.

Wer Mitglied in einer Gewerkschaft ist, genießt meist schon Berufsrechtsschutz. Die Mitgliedschaft im Mieterverein geht meist im Mietrechtsschutz einher. Registrierten Vermietern bieten einige Portale Rechtsschutz zur Mitgliedschaft. Verkehrsrechtsschutz gehört bei einigen Automobilclubs dazu.

Mediation und Beratung
Die meisten Versicherungen übernehmen auch das Honorar eines Mediators, also eines neutralen Vermittlers. Dieser versucht einen Kompromiss für beide Seiten zu finden und damit eine Klage zu vermeiden. Viele Versicherungen begrenzen ihre Deckung jedoch nach Anzahl der Sitzungen oder Höhe der Kosten. Ebenfalls übernommen werden die Kosten einer anwaltlichen Beratung. Manche Versicherungen stellen ihren Kunden eine telefonische Rechtsberatung durch einen unabhängigen Anwalt zur Verfügung, teilweise als 24-Stunden-Service. Interessant ist dann, ob sich die Beratung nur auf mitversicherte Risiken begrenzt.

verbrauchertipp: Achten Sie darauf, dass die Versicherung außergerichtliche Kosten übernimmt. Viele Fälle landen nicht vor Gericht. Meist lässt sich die Gegenseite schon durch eine Mahnung zur Vernunft bringen. Wenn Sie dafür einen Anwalt brauchen, kann das schnell teuer werden.

Was ist sonst noch wichtig?
Anbieter von Versicherungen locken mit den unterschiedlichsten Extras. Ob diese sinnvoll sind, muss der Einzelne für sich entschieden. Einige Beispiele: Eher unüblich ist der Schadensfreiheitsrabatt; nichtsdestoweniger wird er von manchen Versicherungen angeboten. Einige Anbieter behalten sich zudem ein vorzeitiges Kündigungsrecht vor für den Fall, dass zwei Schadensmeldungen innerhalb eines Jahres vorliegen.

Wer sich viel im Ausland aufhält, sollte darauf achten, dass die Versicherung in diesen Ländern greift. Einige Policen übernehmen auch die Reisekosten zum ausländischen Gericht. Gleiches gilt für Menschen, die sich gerne ehrenamtlich engagieren. Manche Versicherungen decken die rechtlichen Risiken ab, die sich aus einer solchen Tätigkeit ergeben können. Vollstreckungsmaßnahmen sind in der Anzahl begrenzt; meist sind die ersten drei Maßnahmen mitversichert.

Anbieter vergleichen
Vor Abschluss einer Versicherung sollte ein ausgiebiges Beratungsgespräch stattfinden. Ein solches kann nicht durch Vergleichsportale im Internet ersetzt werden. Lassen Sie sich von dem Anbieter ein Produktinformationsblatt aushändigen und lesen Sie alles in Ruhe nach. Für einen ersten Überblick eignet sich die Stiftung Warentest. Das Magazin hat zum Beispiel Anfang des Jahres 2016 Familienversicherungen für den Verkehrsrechtsschutz verglichen.

Versicherung weigert sich
Will die Versicherung nicht zahlen, kann man sich an den Ombudsmann für Versicherungen wenden. Dies ist eine neutrale Schlichtungsstelle, die für Verbraucher kostenfrei ist. Der Ombudsmann vermittelt zwischen Versicherungsnehmer und Anbieter. Hat die Versicherung zu Unrecht die Leistung verweigert, kann er sie mit bis zu 10.000 Euro zur Leistung verpflichten. Eine Frist zur Einreichung der Beschwerde gibt es nicht; allerdings sollten die gesetzlichen Verjährungsfristen beachtet werden.

Bettina Gerdom hat sich schließlich doch für einen Anwalt entschieden – und die Bank zur Zahlung bewegen können. Allerdings musste sie den rechtlichen Rat aus eigener Tasche bezahlen. Der Umbau wurde fortgeführt – eine gute Investition. Die Rechtsschutzversicherung allerdings hätte sie sich für diesen Fall sparen können.

Quelle: Verbraucherblick Ausgabe 12/ 2016