Die Europäische Union will den Zahlungsverkehr billiger, schneller und sicherer machen. Gewinner der ab 20. Januar geltenden neue Zahlungsdienst-Richtlinie PSD2 sind die Verbraucher. Dagegen dürfte die Reform für die Finanzbranche gravierende Folgen haben. Fachleute erwarten, dass sie Finanztechnologie-Firmen (Fintechs) eine Bresche ins Bankgeschäft schlägt. Den Geldhäusern drohen Ertragseinbußen, die die laufende Konsolidierung in der Branche beschleunigen könnte.
Mit PSD2 möchte die EU Innovationen im Zahlungsverkehr fördern und den Wettbewerb beleben, indem die Voraussetzungen für Neulinge in dem bisher von den Banken und den Kartenfirmen dominierten Geschäft verbessert werden.

Wer online einkauft, macht das meist über Kredit- oder Bankkarten. Eine solche Bezahlung läuft über mehrere Zwischenstationen. Diesen Prozess will PSD2 nun radikal vereinfachen, denn im bestehenden System sind die Transaktionen langsam und teuer. In Zukunft soll es möglich sein, dass ein Drittanbieter wie etwa ein Händler das Geld direkt auf dem Konto des Kunden abbucht und das Karten-Netzwerk überspringt. Voraussetzung ist, dass ein Kunde einen Zugriff erlaubt und strenge Sicherheitsanforderungen erfüllt werden. Genau hier setzt PSD2 an. Die Regulierung verpflichtet Banken, Drittanbietern kostenfreien Zugang zu den Konten zu gewähren.

Neben solchen Zahlungsauslösediensten will die EU auch sogenannte Kontoinformationsdienste ermöglichen. Eine Firma kann dann eine App anbieten, die Informationen zu Konten eines Kunden bei verschiedenen Banken zusammenträgt und einen Überblick schafft. Insgesamt verlieren die Banken mit PSD2 endgültig die Hoheit über das Konto des Kunden.
Als mögliche Zahlungsdienste-Anbieter kommen neben Fintechs auch Einzelhändler wie Amazon oder Aldi, große Technologiefirmen wie Apple und selbst Banken oder Kreditkartenfirmen infrage. Um die Kunden vor Missbrauch zu schützen, verlangt die EU eine Zulassung durch eine Aufsichtsbehörde wie die Bafin. Beobachter rechnen damit, dass neue Anbieter eine Lizenz beantragen werden. Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg der Eindringlinge ist die Akzeptanz bei den Konsumenten. Eine Umfrage von PwC weckt hohe Erwartungen: Zwei Drittel der Deutschen sind bereit, Drittanbietern Zugriff auf das Bankkonto zu geben, bei den unter 30-Jährigen sind es gar 86 Prozent.

Die Berater von Roland Berger schätzen, dass die etablierten Geldhäuser im Privatkundengeschäft 25 bis 40 Prozent ihres Gewinns verlieren könnten. Damit müssen sich die Banken und Kreditkartenfirmen, die am meisten von den gegenwärtigen Erlösen abschöpfen, auf milliardenschwere Einnahme-Einbußen gefasst machen. Denn der Zahlungsverkehr könnte nur das Einfallstor für einen umfassenden Einstieg in das Bankgeschäft darstellen. Da sich die neuen Konkurrenten zwischen Kunde und Bank schieben, ist die spätere Ausweitung auf Wertpapier- oder Kreditgeschäfte ein logischer nächster Schritt. Im schlimmsten Fall würde den Instituten nur die Rolle des Verwalters im Hintergrund bleiben, mit massiven Ertragseinbußen.