Börsianer mussten in den vergangenen Wochen starke Nerven haben. Steigende Zinsen in den USA, ein sich verschärfender Handelsstreit, die Russland-Affäre und die Eintrübung bei IT-Werten waren nicht gerade Argumente für den Kauf von Aktien. Den größten Belastungsfaktor stellt zweifellos die aggressive protektionistische Haltung von US-Präsident Donald Trump dar. Dreht sich die Spirale von Zöllen und Gegenmaßnahmen weiter, könnte das die Aktienmärkte empfindlich einbrechen lassen. Vor allem für Exportunternehmen wäre die Abschottung der nationalen Volkswirtschaften gegenüber ausländischer Konkurrenz ein schwerer Schlag.
Gemäß der jüngsten Umfrage der Bank of America/Merrill Lynch unter Fondsmanagern bleibt ein globaler Handelskonflikt zunächst das größte Risiko für Konjunktur und Aktienmärkte. Mit einer langfristigen Eskalation des Handelskonflikts rechnen die meisten Anlageprofis dennoch nicht. Die Fachleute gehen davon aus, dass selbst Trump kein Interesse an Wohlfahrtsverlusten und Arbeitsplatzverlusten hat.

Globale Konjunktur stützt Märkte

Gegen einen massiven Einbruch der Börsen spricht zudem, dass der Aufschwung der Weltwirtschaft nach wie vor stabil verläuft. Insbesondere der für die globale Nachfrage wichtige private Konsum bleibt eine wichtige Konjunkturstütze. In der größten Volkswirtschaft der Welt, den USA, ist das Verbrauchervertrauen robust, in Deutschland hat es sich laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zuletzt sogar überraschend noch einmal verbessert.

Das hat mit der hier zu Lande hervorragenden Arbeitsmarktsituation zu tun, aber auch mit relativ stabilen Verbraucherpreisen. So ist die Inflationsrate in Deutschland im März weniger stark gestiegen als erwartet, von 1,4 auf 1,6 Prozent. Höhere Energiepreise sowie die vor Ostern üblichen Preisanpassungen in der Touristikbranche waren die maßgeblichen Einflussgrößen. Die um Energie- und Nahrungsmittelpreise bereinigte Kernteuerungsrate ist sogar um ein Zehntel auf 1,5 Prozent gefallen. Unter Herausrechnung der volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise bleibt der Preisauftrieb also nach wie vor überschaubar.

Der ausbleibende energieseitige Inflationsschub gibt den Zentralbanken im Jahresverlauf die Möglichkeit, weiterhin eine Politik der ruhigen Hand zu verfolgen. Im Fahrwasser damit sinkender Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen sind auch die Renditen von Bundesanleihen gesunken. Die ausbleibende Attraktivität von Zinsanlagen bleibt ein zentraler Stützpfeiler für die Aktienmärkte.

Ölpreise könnten deutlich anziehen

Allerdings gilt es in Bezug auf die weitere Inflationsentwicklung den Rohölpreis im Auge zu behalten. Seit Mitte März haben die Notierungen für das flüssige Gold deutlich angezogen und bei der Nordseesorte Brent wieder die 70-Dollar-Marke erreicht. Verglichen mit anderen konjunktursensitiven Rohstoffen, die tendenziell im Preis gefallen sind, sticht dieser Anstieg deutlich heraus. Ein Auslöser war die Aufwärtsprognose des weltweiten Nachfragezuwachses 2018 auf 99,3 Mio. Fass pro Tag durch die Internationale Energieagentur (IEA).

Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die spürbar rückläufige Angebotsentwicklung unter anderem fortbestehen dürfte, weil sich die Rohölförderung Venezuelas zuletzt merklich auf 1,6 Mio. Fass pro Tag verringerte. Zusätzlich getrieben wurden die Ölnotierungen durch überraschende Personalrochaden von US-Präsident Trump, robuste Konjunkturdaten, einen wieder schwächerer Dollar, eine erhöhte Risikobereitschaft der Anleger – sowie Aussagen der OPEC.

Auf ihrem jüngsten „Joint Ministerial Monitoring Committee Meeting“ betonten die Vertreter des Ölkartells, dass sie für das Erreichen ihrer Ziele den Blick auf den Sieben-Jahresdurchschnitt der Rohöllagerbestände für sinnvoller halten als den auf den Fünf- Jahresschnitt. Kein Wunder, ist laut IEA-Zahlen vom Januar dieses Jahres ersterer 69 Mio. Fass vom jeweiligen Mittelwert entfernt, letzterer aber nur 11 Mio. Fass. Somit würden dank des neuen Ziels die Förderkürzungen über 2018 hinaus bestehen bleiben.

Mit der Absetzung des Sicherheitsberaters Herbert R. McMaster, der sich für die Beibehaltung des von Trump abgelehnten Atomabkommens mit dem Iran aussprach, und der Ernennung des als Hardliner bekannten John Bolton bekam die Aufwärtsbewegung des Ölpreises einen zusätzlichen Schub. Die mögliche Gefahr eines Wegfalls des iranischen Rohölangebots von geschätzt 250 und 500 Tsd. Fass pro Tag bis Jahresende ist durch den neuen Sicherheitsberater wahrscheinlicher geworden.

Zieht die Inflation demnächst stärker an?

Vor diesem Hintergrund vermuten einige Ökonomen, dass die Inflationsrate für den Euroraum in den nächsten Monaten die Anleger überraschen könnte. Beispielsweise glauben die Volkswirte der Commerzbank, dass die Rate wohl schon im März stärker steigen wird als von der Mehrheit der Volkswirte vorausgesagt. Sie gehen von einem Sprung von 1,1 auf 1,5 Prozent aus. Dazu sollen vor allem drei Faktoren beitragen:

Erstens ein Kalendereffekt: 2018 fällt der Anstieg der Preise für Pauschalreisen und Hotelübernachtungen wegen des frühen Osterfestes in den März und nicht wie 2017 in den April. Dadurch wird die Teuerungsrate für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Pauschalreisen und Hotelübernachtungen wohl von 2,1 auf etwa fünf Prozent steigen, was die Kernteuerungsrate von 1,0 Prozent im Februar auf 1,2 Prozent im März anheben würde. Der Effekt auf die Inflationsrate insgesamt sei mit 0,1 Prozentpunkten zu veranschlagen.

Zweitens ein Witterungseffekt: Die ungewöhnlich kalte Witterung im März führt dazu, dass frisches Obst und Gemüse in diesem Jahr später geerntet wird als 2017. Entsprechend verzögert sich auch der mit der heimischen Ernte einhergehende Preisrückgang bei diesen Produkten. Folglich dürfte die Teuerungsrate bei frischen Nahrungsmitteln in den kommenden Monaten temporär steigen. Im März dürfte die Inflationsrate hierdurch um 0,1 Prozentpunkte zulegen.

Drittens die Entwicklung der Energiepreise: Im März 2017 sind die Energiepreise gegenüber Vormonat um 0,8 Prozent gesunken. In diesem Jahr dürften sie im März um etwa 0,5 Prozent gestiegen sein. Hierdurch klettere die Teuerungsrate bei Energie von 2,1 auf 3,5 Prozent. Dies allein treibe die Inflationsrate im März um knapp 0,2 Prozentpunkte nach oben.

Während der erste Faktor die Teuerungsrate nach Ansicht der Commerzbank-Volkswirte nur kurzfristig bewegen wird, dürfte insbesondere die Entwicklung der Energiepreise noch bis in den Sommer hinein für eine steigende Inflationsrate sorgen.

Erste Zinserhöhung durch EZB Mitte 2019 realistisch

Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) gibt man sich aber weiterhin gelassen. In der vergangenen Woche bekräftige Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, dass die Erwartungen,
das Anleihe-Kaufprogramm werde dieses Jahr enden und die erste Zinsanhebung Mitte
2019 erfolgen, „nicht unrealistisch“ seien. Marktverwerfungen müssten durch verlässliche
Kommunikation vermieden werden. Gründe, die Normalisierung aufzuschieben, gäbe es nicht, denn die Inflationsentwicklung entspräche in etwa den EZB-Projektionen.

Der finnische Notenbankchef Erkki Liikanen meinte demgegenüber, dass trotz Wirtschaftswachstum und sinkender Arbeitslosigkeit noch keine vertrauenswürdigen
Zeichen für eine Inflationsbelebung zu erkennen wären. Eine Normalisierung der Geldpolitik würde auf einer solideren Basis stehen, wenn die Inflationserwartungen zumindest zeitweise über zwei Prozent lägen.

Für Diskussionen sorgte auch die Meldung, die EU-Kommission wolle die Brexit-Lücke im Haushalt durch einen Teil der EZB-Gewinne stopfen (50 Prozent würden ausreichen). Hierzu müsste das EZB-Statut geändert werden, demgemäß die Gewinne an die nationalen Notenbanken ausgezahlt werden. Allerdings plant die Kommission wohl eher, dass die Staaten in deren Haushalt die Notenbankgewinne am Ende fließen, einen entsprechenden zusätzlichen Beitrag leisten. Einen ähnlichen Mechanismus gab es bereits 2012 als beschlossen wurde, die Gewinne aus den Geschäften der EZB mit griechischen Staatsanleihen Griechenland zukommen zu lassen.

Aus Sicht von Österreichs Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny wird die EZB wahrscheinlich im Sommer über die Zukunft ihrer billionenschweren Anleihenkäufe entscheiden. Falls die Entwicklung wie erwartet verlaufen sei, gebe es die Möglichkeit, die Käufe erheblich zu drosseln und in Richtung Programm-Ende zu gehen, sagte Nowotny auf einer Veranstaltung in Wien.
Die EZB könne aus den Erfahrungen der US-Notenbank Fed mit der Normalisierung ihrer Geldpolitik lernen, sagte das EZB-Ratsmitglied. “Also zu lange warten ist wahrscheinlich problematisch.” Andererseits müssten die Schritte sehr vorsichtig angegangen und rechtzeitig kommuniziert werden.

Drei Fed-Zinsschritte im laufenden Jahr wahrscheinlich

Von Seiten der US-Notenbank Fed gab es zuletzt wenig Neues. Seit der letzten Fed-Sitzung haben sich nur wenige FOMC-Mitglieder zu Wort gemeldet. Ein beherrschendes Thema war dabei allerdings, wie die Fed auf die Einführung von US-Zöllen und die Gefahr eines Handelskrieges reagieren soll. Die regionalen Fed-Präsidenten Robert Kaplan und Raphael Bostic waren sich einig, die aktuelle Handelspolitik der Regierung genau im Auge zu behalten.

Ihren geldpolitischen Ausblick wollen sie derzeit aber nicht ändern, da die Unsicherheit über weitere handelspolitische Maßnahmen zu groß wäre. Beide sehen weiterhin drei Zinsschritte für das Jahr 2018 als gerechtfertigt an. Die hohe handelspolitische Unsicherheit nannte Cleveland Fed Chefin Loretta Mester als einen Risikofaktor für einen ansonsten hervorragenden Konjunkturausblick. Die Steuerreform würde das Wirtschaftswachstum um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr anheben. Minneanapolis Fed-Chef Neel Kashkari betrachtet dagegen die Risiken für die US-Wirtschaft derzeit als ausgeglichen. Die Handelspolitik Trumps könne man aber auch nicht ignorieren.

Was die neue Woche bringt

Im Euroraum stehen diese Woche die März-Inflationsdaten im Zentrum der Aufmerksamkeit (Mi.). Hier gilt, dass sich zum einen die Energiekomponente wegen eines Basiseffektes aus dem Vorjahr wieder etwas erholt haben dürfte. Damit sollte die Gesamtinflationsrate wieder auf 1,4 Prozent gestiegen sein. Aber auch die Kernrate ohne die volatilen Komponenten der Energie und der Nahrungsmittel sollte sich leicht auf 1,1 Prozent erhöht haben.

Nach den schwachen Januar-Daten dürften sich zudem die harten Konjunkturindikatoren zu Produktion (Fr.) und Auftragseingang der Industrie (Do.) in Deutschland im Februar wieder etwas erholt haben. Zwar zeigten die Konjunkturumfragen zuletzt eine leichte Abkühlung der Euphorie der Unternehmen. Dies stellt allerdings nur eine Korrekturbewegung nach dem übertriebenen Optimismus des letzten Halbjahres dar, im Zuge dessen die Umfrageindikatoren den harten Daten enteilt waren. Umfragen und harte Daten gleichen sich somit wieder etwas an und die schwächere Stimmung spricht nicht für eine unmittelbare Eintrübung auf Seiten der harten Zahlen.

Zudem waren die klimatischen Bedingungen im Februar trotz zeitweise sehr niedriger Temperaturen kein Bremsschuh – nur wenige Firmen berichteten von einer Behinderung ihrer Geschäftstätigkeit durch die Witterung – womit die Daten zur Produktion und (mit Einschränkungen) auch zum Auftragseingang insgesamt positiv ausfallen dürften. Eine hohe Dynamik ist jedoch hierdurch nicht angezeigt. Vielmehr entwickeln sich Produktion und Neuaufträge seit November lediglich seitwärts.

In den USA steht in der neuen Woche der Arbeitsmarktbericht für März im Fokus (Fr.). Dabei dürfte der Beschäftigungsaufbau mit 180 000 Stellen wieder etwas gemäßigter ausgefallen sein als im Februar. Dies hat weniger einen konjunkturellen denn einen witterungsbedingten Grund. So haben im März mehrere Schneestürme die US-Ostküste getroffen, weshalb einige Arbeitnehmer im Erhebungszeitraum (Mitte des Monats) zu Hause geblieben sein dürften und damit nicht in der entsprechenden Erhebung erfasst wurden. Die Arbeitslosenquote, die in einer anderen Umfrage ermittelt wird, sollte dagegen nach mehreren starken Beschäftigungsanstiegen in Folge im März die 4,0-Prozent-Marke erreichen.

Bei den Unternehmen könnte sich dagegen im März Unsicherheit breit gemacht haben. Zwar ist das allgemeine konjunkturelle Umfeld unter anderem wegen der Senkung der Unternehmenssteuer generell sehr gut. Die Auftragsbücher sind gefüllt. Die Verhängung von Zöllen der US-Regierung und die dadurch höheren Importkosten sowie die Sorge vor weiteren Handelsstreitigkeiten könnten jedoch erste Schatten auf die Stimmung der Firmen im Verarbeitenden Gewerbe (Mo.) und auch im Dienstleistungssektor werfen (Mi.).

 

Die wichtigsten Konjunkturdaten der neuen Woche

MonatPrognoseLetzter
Montag, 2.4.2018
PMI Verarb. Gewerbe China (Punkte)März50.750.3
ISM Verarb. Gewerbe USA (Punkte)März6060.8
Dienstag, 3.4.2018
PMI Verarb. Gewerbe Deutschland (Punkte)März58.458.4
PMI Verarb. Gewerbe Euroland (Punkte)März56.656.6
Mittwoch, 5.4.2018
PMI Caixin Dienstleistungen China (Punkte)März54.554.2
Arbeitslosenrate Euroland (%)Februar8.58.6
Verbraucherpreise Euroland (% zum Vorjahr)März1.41.2
Verbraucherpr. Kernrate Euroland (% zum Vorjahr)März1.11
ISM Dienstleistungen USA (Punkte)März5959.5
Auftragseingang USA (% zum Vormonat)Februar2-1.4
Donnerstag, 6.4.2018
Auftragseingang Deutschland (% zum Vormonat)Februar1.1-3.9
PMI Dienstleistungen Deutschland (Punkte)März54.254.2
PMI Dienstleistungen Euroland (Punkte)März5555
Handelsbilanz USA (Mrd. US-$)Februar-55.8-56.6
Freitag, 7.4.2018
Industrieproduktion Deutschland (% zum Vormonat)Februar0.25-0.1
Beschäftigung USA (Tsd. Zum Vormonat)März180313
Arbeitslosenrate USA (%)März44.1