Schon nach dem Brexit-Votum wünschte sich so mancher Anleger vorher ausgestiegen zu sein. Vor der US-Präsidentschaftswahl fragten sich ebenfalls viele, ob es nicht besser sei, zu verkaufen und gegebenenfalls danach wieder einzusteigen. Eine Untersuchung der Fondsgesellschaft Fidelity belegt allerdings, dass das Market-Timing bei der Aktienanlage stark überbewertet wird. So haben seit der Euro-Einführung nur zehn Börsentage über den Erfolg der Aktienanlage entschieden. Besser war es, durchgängig investiert zu sein.
Die Schwankungen an den Finanzmärkten haben in Folge des Brexit-Votums zugenommen. Daher sind viele Anleger verunsichert, ob sie ihre Aktien oder Aktienfonds eventuell besser verkaufen sollten, um auf angenehmere Zeiten zu warten. Davor warnt die Fondsgesellschaft Fidelity. „So verständlich diese Reaktion auch ist, sie ist mit Blick auf die Rendite der Anlage die schlechteste Entscheidung, die ein Anleger treffen kann“, sagt Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International. Er ergänzt: „Die vergleichsweise hohe Rendite einer Aktienanlage ist auf relativ wenige Tage mit hohen Kurssteigerungen zurückzuführen.“ Da keiner vorhersagen könne, wann diese Tage sind, sei es im Allgemeinen sinnvoller, durch Marktzyklen hindurch voll investiert zu sein. Denn wer nur wenige gute Börsentage verpasse, muss dafür in der Regel langfristig deutlich geringere Renditen akzeptieren. „Zeit ist bei der Aktienanlage wichtiger als der Zeitpunkt“, lautet Roemhelds Fazit.
Eine langfristige Betrachtung der Aktienkurse in Europa ergibt laut Fidelity folgendes Bild: Ein Anleger, der mit der Einführung des Euros am 31.12.1998 1.000 Euro in den MSCI Europe angelegt hat, erzielte damit bis zum 31.05.2016 insgesamt 1.992 Euro, was eine knappe Verdopplung des Kapitals bedeutet. Hätte dieser Anleger allerdings die zehn besten Börsentage in diesem Zeitraum verpasst, wäre nur ein Betrag von 1.023 Euro entstanden. Ohne die 40 besten Tage wären sogar nur noch 324 Euro übrig, ein dickes Minus also.
Dieses Ergebnis zeigt sich laut Fidelity-Untersuchung auch für den deutschen Aktienmarkt: Wer im gleichen Zeitraum 1.000 Euro in deutsche Standardwerte – gemessen am MSCI Germany – investierte, machte daraus bis Ende Mai 2016 insgesamt 2.124 Euro. Hätte der Anleger die zehn besten Tage dieses Zeitraums verpasst, wären Ende Mai 2016 nur noch 963 Euro übrig gewesen. Hätte er sogar die 40 besten Tage verpasst, wären nur noch 216 Euro übrig.
Deshalb ist das Fazit für Anleger, die mit den aktuellen Kursentwicklungen hadern: Kühlen Kopf bewahren und Kursschwankungen als Preis für die langfristige Outperformance von Aktien gegenüber anderen Anlageklassen akzeptieren. „Den ,richtigen‘ Ein- oder Ausstiegszeitpunkt vorherzusehen und dementsprechend zu kaufen oder zu verkaufen, gelingt ohnehin nicht. Viel wichtiger ist es, langfristig investiert zu sein. Denn verpasst ein Anleger den Anstieg der Kurse, reduziert sich die Rendite seiner Anlage erheblich“, sagt Roemheld.