Minuszins, Nullzins – was hat das alles eigentlich mit dem Zinssatz zu tun, den Bauherren für ein Hypothekendarlehen zahlen müssen? Und warum ist es eher unwahrscheinlich, dass auch Immobilienkäufer in den Genuss solcher Konditionen kommen? Fest steht jedenfalls: Auch wenn Hauskäufer keine Bezahlung für die Aufnahme eines Darlehens (Negativzinsen) oder einen Nullzins zu erwarten haben – bereits jetzt sind die aktuellen Zinskonditionen im langfristigen Vergleich äußerst attraktiv: Noch vor rund zehn Jahren waren Darlehen zum Zinssatz von rund fünf Prozent zu haben – 100.000 Euro Kredit waren bei einem Tilgungssatz von einem Prozent also zu Monatsraten von 500 Euro zu haben, über zehn Jahre kamen so 47.196 Euro an Zinszahlungen zusammen. Heute lässt sich bei einem Zinssatz von einem Prozent (Stand 13. Juni 2016) mit der gleichen Monatsrate ein Tilgungssatz von fünf Prozent wählen, die Zinskosten belaufen sich für zehn Jahre auf vergleichbare moderate 7.465 Euro – und das Darlehen wäre bei konstantem Zinssatz in 18 und nicht erst in 36 Jahren vollständig getilgt.
Vom Leitzins zum Guthabenzins
Als die Bauzinsen bei fünf Prozent lagen, betrug der Leitzins vier Prozent. Völlig voneinander losgelöst entwickeln sich die Zinssätze also nicht. Doch einen direkten Zusammenhang zwischen Leit- und Baugeldzinsen gibt es nicht. Klar ist jedoch, dass ein niedriger Leitzins dazu führt, dass Banken zu günstigen Konditionen Kredite vergeben können, aber im Umkehrschluss auch keine hohen Guthabenzinsen zahlen. Dabei muss zunächst zwischen dem Leitzins der europäischen Notenbank und den Zinssätzen unterschieden werden, die die Banken selbst festlegen. Während der Leitzins definiert, zu welchen Konditionen die Europäische Zentralbank (EZB) Geld an Banken verleiht, gibt es auch Zinssätze, die Banken für die Kreditvergabe untereinander festlegen – etwa den EURIBOR (Euro Inter Bank Offered Rate). Und wenn die Banken günstig Geld von der EZB oder anderen Instituten erhalten, können sie es zu niedrigen Konditionen an Privathaushalte verleihen. Zudem lohnt es sich für sie derzeit nicht, Geld zu horten: Seit März dieses Jahres müssen sie hierfür eine Strafgebühr von 0,4 Prozent an die EZB zahlen.
Vom Guthabenzins über Anleiherenditen zum Bauzins
Der Zusammenhang zwischen Leitzins und Hypothekenzins kommt also nicht direkt, sondern über den langfristigen Kapitalmarkt zustande. Und das funktioniert folgendermaßen: Vergibt eine Bank ein Immobiliendarlehen, besorgt sie sich den erforderlichen Betrag unter anderem über Pfandbriefe mit gleicher Laufzeit wie die Zinsbindung des Darlehens. Als Sicherheit dienen die Immobilien, die finanziert werden. Der Pfandbrief wird beispielsweise mit einem Prozent verzinst, den Zins für die Baufinanzierung legt die Bank mit 1,5 Prozent fest. Die Differenz (Marge) von 0,5 Prozentpunkten entspricht – vereinfacht – dem, was die Bank mit der Baufinanzierung verdient. Diese Spanne beträgt in der Regel zwischen 0,5 und 0,7 Prozentpunkte. Weil die Banken vor der Kreditvergabe zunächst überprüfen, wie hoch die aktuellen Pfandbriefrenditen sind, eignen sich diese gut als Gradmesser für die Entwicklung der Baugeldzinsen – Marge hinzugerechnet. Alternativ kommen hierfür auch die Renditen von Staatsanleihen als Vergleichsmaßstab infrage, denn sie beeinflussen wiederum die Höhe der Pfandbriefrenditen, die zur gleichen Anlagekategorie gehören. Und diese wird vom Leitzins und dem aktuellen Anleihe-Ankaufprogramm der EZB beeinflusst: Das so genannte „Quantitative Easing“ führt zu einer hohen Nachfrage, was zu niedrig verzinsten Neuemissionen führt. Werden Anleihen also zu sehr niedrigen Zinsen auf den Markt, sinken auch die Baugeldzinsen.
Von Claudia Lindenberg