Deutschlands führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2016 auf 1,9 Prozent erhöht, wie aus dem Herbstgutachten für die Bundesregierung hervorgeht. In ihrem Frühjahrsgutachten waren die Institute noch von einem Wachstum von 1,6 Prozent ausgegangen.
Das Wachstum für das kommende Jahr schätzen die Ökonomen allerdings leicht niedriger ein als bisher. Statt um 1,5 Prozent soll das BIP 2017 nur noch um 1,4 Prozent zulegen. Das geringere Wachstum ist primär darauf zurückzuführen, dass nächstes Jahr weniger Arbeitstage anfallen. Für 2018 sagen die Institute ein BIP-Plus von 1,6 Prozent voraus.
Das Wachstum wird vor allem vom Konsum und höheren Ausgaben der öffentlichen Hand getragen. „Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor in einer guten Verfassung und trägt den privaten Verbrauch“, sagte Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Außerdem werde der öffentliche Konsum durch Aufwendungen für die Integration von Flüchtlingen angetrieben, was ebenfalls der Binnenkonjunktur zugutekomme.
Für den Arbeitsmarkt sind die Perspektiven den Instituten zufolge weiter gut. Die Arbeitslosenquote soll 2017 auf ihrem historischen Tief von 6,1 Prozent verharren, fast eine halbe Million neue Stellen könnten entstehen. Exporte und Investitionen dürften wegen der schwachen Weltkonjunktur hingegen nur leicht anziehen.
Obwohl die deutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs bleibt, sind die Volkswirte mit der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung unzufrieden. Sie fordern höhere Investitionen, insbesondere für Bildung und Forschung. Darüber hinaus solle das Steuersystem mehr Anreize für Wachstum bieten.
Die Forscher sind der Ansicht, dass der Staat Spielraum für wachstumsfreundliche Investitionen habe. 2016 werde er voraussichtlich einen Überschuss von rund 20 Milliarden Euro erzielen, 2017 und 2018 von jeweils 15 Milliarden. Dennoch müsse der Staat Subventionen und Steuervergünstigungen zugunsten von Investitionen. „Die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre war in erster Linie auf Umverteilung ausgerichtet“, begründen die Institute diese. „Zukunftsorientierte Maßnahmen wurden vernachlässigt, sind aber dringend erforderlich, steht Deutschland doch vor den besonderen Herausforderungen der Alterung der Bevölkerung und der hohen Zuwanderung.“
Im Rentensystem fordern die Volkswirte gleichfalls Reformen. Es müsse „demografisch wetterfester“ gemacht werden, etwas durch eine längere Lebensarbeitszeit. Die Rente mit 63 und die Ausweitung der Mütterrente wirkten hier kontraproduktiv, konstatieren die Wirtschaftsforscher.
Beteiligt an dem Gemeinschaftsgutachten sind unter anderem das Münchner Ifo-Institut, das Berliner DIW, das Essener RWI, das Kieler IfW und das IWH Halle. Die Gemeinschaftsdiagnose dient der Bundesregierung als Basis für ihre eigenen Prognosen.