Der Sachverständigenrat, auch Wirtschaftsweise genannt, fordert von der Politik Reformen. Deutschland brauche zum Beispiel bis spätestens 2025 eine flächendeckende Glasfaser-Infrastruktur. Auch Steuerreformen seien notwendig. Die Wirtschaftsweisen sprechen sich für eine Entlastung mittlerer Einkommen und eine Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung aus. “Deutschland befindet sich in einem robusten Aufschwung”, sagte der Chef des Expertengremiums, Christoph Schmidt. Das eröffne Spielräume. Es gehe darum, eine Mischung aus Finanzstabilität und Wachstumsstärkung zu verfolgen.

Für das kommende Jahr sagen die Experten der deutschen Wirtschaft ein Wachstum von 2,2 Prozent voraus. Die Bundesregierung erwartet lediglich 1,9 Prozent, die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute 2,0 Prozent. Für das laufende Jahr hob das Expertengremium seine Prognose von 1,4 auf 2,0 Prozent an.
“Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem kräftigen und langanhaltenden Aufschwung”, heißt es in dem Gutachten mit dem Titel “Für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik”. Darin wird für dieses Jahr ein gesamtstaatlicher Haushaltsüberschuss von 31,3 Milliarden Euro oder einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwartet, so viel wie noch nie seit der Wiedervereinigung.

“Mit einer Tarifreform der Einkommenssteuer sollten Mehreinnahmen aus der kalten Progression zurückgegeben werden”, forderte der Sachverständigenrat. Durch diese schleichenden Steuererhöhungen habe der Staat seit 2009 mehr als 30 Milliarden Euro eingenommen, die nach und nach zurückgegeben werden könnten. Dies müsse abgestimmt werden mit einer “allmählichen” Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Allerdings sollte der finanzpolitische Spielraum gewahrt werden. Deutschland könne es sich nicht leisten, “den Weg einer soliden Finanzpolitik zu verlassen”, mahnte der Rat.

Raum sieht er für niedrigere Sozialversicherungsbeiträge. So sei es angesichts der guten Lage möglich, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um bis zu 0,5 Punkte zu senken. Die Rücklagen seien inzwischen so hoch, dass sogar ein Schock wie nach der weltweiten Finanzkrise 2008/09 abgefedert werden könnte, so der Sachverständige Lars Feld. Digitale Netze sollten im Grundsatz durch private Investitionen finanziert werden. Grundsätzlich sieht der Rat Raum für mehr öffentliche Investitionen in Deutschland, rät aber davon ab, diese auf Pump zu finanzieren. Ein mit der Lebenserwartung steigendes Renteneintrittsalter wird ebenfalls begrüßt.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wurde 1963 per Gesetz eingerichtet, um die Politik zu beraten. Vorsitzender ist seit 2013 der Ökonom Schmidt. Dem Gremium gehören außerdem Peter Bofinger, Lars Feld, Isabel Schnabel und Volker Wieland an.