Lebensversicherungen rentieren sich heutzutage oft nicht mehr und viele Kunden fragen sich, ob sie ihren Vertrag nicht kündigen sollten. Allerdings drohen dann – gerade bei noch langen Laufzeiten – finanzielle Einbußen, da die Versicherer in solchen Fällen lediglich den so genannten Rückkaufswert auszahlen, der je nach Vertrag deutlich unter den eingezahlten Beiträgen liegen kann. Anders sieht es hingegen aus, wenn der Versicherungsvertrag Formfehler enthält, die einen Widerruf ermöglichen: Dann ist eine Rückabwicklung möglich und der Anbieter muss die eingezahlten Beiträge zurückerstatten – ohne Abschläge. Welche Formfehler einen Widerruf ermöglichen, hat die Kanzlei Gansel Rechtsanwälte aus Berlin in einem Beitrag für das Magazin IMPULSE zusammengestellt.

Formfehler beim Policenmodell
Am weitesten verbreitet ist hierzulande das Policenmodell, bei dem der Versicherungsnehmer zunächst einen Versicherungsantrag unterschreibt und einreicht sowie später den Versicherungsschein samt Verbraucherinformationen und Versicherungskonditionen erhält. Für diese Variante des Vertragsabschlusses hat die Kanzlei sechs Formfehler identifiziert.

Fehler 1: Widerspruchsbelehrung fehlt
Das Policenmodell sieht vor, dass der Versicherte den Kunden über das Widerrufsrecht aufklären muss – und zwar entweder im Begleitschreiben zum Versicherungsschein oder im Versicherungsschein selbst. Fehlt diese, kann der Versicherte den Vertrag widerrufen. Dies ist den Gansel-Juristen zufolge jedoch nur äußerst selten der Fall.

Fehler 2: Widerspruchsbelehrung ist nicht ausreichend erkennbar
Um Gültigkeit zu erlangen, muss die Widerrufsbelehrung vom Versicherer deutlich hervorgehoben werden – und zwar der gesamte Passus und nicht nur die Überschrift oder Teile des Absatzes. Ist die Widerrufsbelehrung beispielsweise in kleinerer Schrift gefasst oder wird nur die Überschrift, nicht aber der Satz „Die rechtzeitige Absendung des Widerrufs genügt“ gedruckt, wird sie unwirksam.

Fehler 3: Falscher Fristbeginn
Die Widerspruchsfrist startet erst, wenn der Versicherte die Police, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen erhalten hat. Gehen ihm diese Unterlagen nicht auf einmal zu, beginnt die Frist erst mit dem Tag, an dem ihm alle drei Unterlagen vorliegen. Korrekt formuliert, muss die Widerrufsbelehrung daher beinhalten, dass die Frist erst zu laufen beginnt, wenn alle drei Vertragsunterlagen vorliegen. Heißt es hingegen, dass die Frist mit Zugang des Schreibens, der Belehrung oder der Police zu laufen beginnt, ist der Fristbeginn nicht eindeutig formuliert und der Kunde kann widerrufen, heißt es im dem IMPULSE-Beitrag.

Fehler 4: Falsche Fristsetzung
Seit dem 8. Dezember 2004 gilt eine Frist von 30 Tagen für den Widerruf. Zuvor lag die Frist bei 14 Tagen. Nicht alle Versicherer haben dies korrekt beachtet, weshalb die Widerrufsbelehrungen einiger Anbieter nach dem Stichtag noch die 14-Tages-Frist enthielten. Zudem haben einige Versicherer nicht konkret 30 Tage, sondern die Formulierung „einen Monat“ verwendet – diese ist jedoch ungenau, da es auch Monate mit 28 oder 30 Tagen gibt. In beiden Fällen ist der Widerruf möglich – unabhängig davon, wie lang der betreffende Monat wirklich war, heißt es in dem IMPULSE-Beitrag.

Fehler 5: Unklare Formvorgaben für den Widerruf
Seit dem 1. August 2001 können Versicherte ihren Widerruf in Textform einreichen – also auch per Mail oder Fax. Die Schriftform per Brief ist hingegen nicht mehr wie vor diesem Stichtag erforderlich. Die Widerrufsbelehrung muss eine klare Angabe dazu enthalten, ob die Textform ausreicht oder der Widerruf per Brief erfolgen muss. Andernfalls ist sie fehlerhaft.

Fehler 6: Fristwahrung ist unklar formuliert
Die Widerrufsbelehrung muss Angaben dazu enthalten, wie das Einhalten der Widerrufsfrist nachgewiesen wird – etwa über den Poststempel. Ansonsten ist die Widerrufsbelehrung unwirksam.

Fehler 7: Formfehler beim Antragsmodell
Beim weniger gängigen Antragsmodell, bei dem der Versicherer dem Kunden die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen bereits mit dem Versicherungsantrag aushändigt, greift kein Widerspruchs-, sondern ein Rücktrittsrecht. Dies muss wie beim Widerspruchsrecht auffällig kenntlich gemacht werden und im Antrag oder einem Zusatzformular enthalten sein.

Fehler 8: Unterlagen sind unvollständig
Der Kunde muss bereits bei Vertragsabschluss mit Ausnahme des Versicherungsscheins alle Unterlagen erhalten. Ist das nicht der Fall, greift das Widerspruchsrecht wie beim Policenmodell, heißt es im IMPULSE-Beitrag.

Fehler 9: Unklare Fristwahrung
Die Rücktrittsbelehrung muss im Versicherungsantrag enthalten sein, zudem muss der Rücktritt rechtzeitig abgesendet werden, um die Frist zu wahren.

Fehler 10: Undeutliche Rücktrittsbelehrung
Analog zur Widerrufsbelehrung muss die Rücktrittsbelehrung vollständig deutlich hervorgehoben werden – und nicht nur teilweise.

Wie es in dem Gastbeitrag der Kanzlei Gansel für IMPULSE weiter heißt, sollte vor dem Beschreiten des Rechtswegs geprüft werden, welche steuerlichen und versicherungsrechtlichen Folgen sich aus einem Widerruf oder Rücktritt ergeben. Nachteilig wäre dies beispielsweise dann, wenn mit der Lebensversicherung auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung verbunden ist. Ein erneuter Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung wäre dann erforderlich, was bei zwischenzeitlich aufgetretenen Erkrankungen sehr ungünstig oder sogar unmöglich sein kann.