In der vergangenen Woche setzten die Börsen ihren Erholungskurs fort. Das gilt für den US-Aktienmarkt, aber auch für die europäischen Aktienindizes, die in den Wochen davor durch die Aufwertung des Euro gebremst worden waren. Der DAX stieg auf über 12.500 Zähler, nachdem er Ende August kurzzeitig unter die 12.000-Punkte-Marke gerutscht war.
Nach seinem Zwischenhoch von 1,2092 Dollar am 8. September korrigierte der Euro auf rund 1,19 Dollar. Noch stärker war die Korrektur gegenüber anderen Währungen, etwa dem britischen Pfund. Hinzu kam der generelle Rückgang der Unsicherheit, der sich in spürbar sinkenden Volatilitätsindizes niederschlug. Der VDAX-NEW, der die implizite Volatilität des DAX misst, fiel kräftig von gut 15 Punkten Ende der Vorwoche auf gut 12 Punkte.

Risiken verlieren an Einfluss

Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass verschiedene Risiken kleiner geworden sind bzw. als nicht mehr so stark wahrgenommen werden. So wurde in den USA das Hin und Her um die Schuldenobergrenze vorerst beigelegt und damit ein möglicher „government shutdown“ vermieden. Ungeachtet der anhaltenden Provokationen Pjöngjangs hat sich der Nordkorea-Konflikt nicht weiter verschärft, nachdem die Reaktionen aus Washington eher besonnen waren. Außerdem dringen China und Russland auf eine Verhandlungslösung und Experten halten eine militärische Eskalation für unwahrscheinlich. Der Wirbelsturm Irma hat zwar große Schäden angerichtet, zusätzliche negative Überraschungen für die zuvor schon arg gebeutelten Versicherungsaktien blieben aber aus.

Somit werden fundamentale Einflüsse wieder wichtiger und diese stellen sich im Moment überwiegend freundlich dar. Denn bei den konjunkturellen Frühindikatoren zeigt der Trend weltweit weitgehend nach oben. Der JP Morgan Global Manufacturing Index erreichte im August mit 53,1 Punkten (Vormonat: 52,7) den höchsten Stand seit 75 Monaten. Die Erwartungen für die Unternehmensgewinne sind stabil und signalisieren einen anhaltend steigenden Gewinntrend.
Allerdings hat der Hurrikan “Harvey” der zuletzt wieder besser in Fahrt kommenden US-Wirtschaft im August einen Dämpfer versetzt. Sowohl der Einzelhandel als auch das produzierende Gewerbe spürten die Folgen des Wirbelsturms, der insbesondere im Bundesstaat Texas mit seinen Öl- und Gasanlagen verheerende Schäden anrichtete. Zwischen San Francisco und New York drosselte die Industrie erstmals seit Januar ihre Produktion. Sie stellte 0,9 Prozent weniger her als im Vormonat; die US-Notenbank Fed schrieb einen Großteil des Rückgangs dem Wirbelsturm zu.

Die US-Industrie trägt rund zwölf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes bei. Das BIP hatte im Frühjahr mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 3,0 Prozent zugelegt, nicht zuletzt dank der Konsumfreude der Amerikaner. Doch auch diese ist durch “Harvey” im August getrübt worden, denn die Erlöse der Einzelhändler sanken um 0,2 Prozent zum Vormonat. Vor allem Autos erwiesen sich im August als Ladenhüter: Hier gab es ein Minus von 1,6 Prozent.

Fed-Sitzung mit Spannung erwartet

Die Fed geht aber davon aus, dass der Aufschwung der US-Wirtschaft anhält. Zudem schürt eine höhere Inflation die Erwartung eines weiteren Zinsschritts noch in diesem Jahr. Angetrieben von höheren Benzinkosten stiegen die US-Verbraucherpreise im August um 1,9 Prozent zum Vorjahresmonat; im Juli lag die Teuerung noch bei 1,7 Prozent. Am Mittwoch entscheiden die Währungshüter um Fed-Chefin Janet Yellen über die Zinsen und den Abbau ihrer billionenschweren Wertpapier-Bestände, die sie in den zurückliegenden Krisenjahren zur Stabilisierung der Konjunktur erworben haben. Die Notenbanker haben die Zinszügel dieses Jahr bereits zwei Mal gestrafft, zuletzt im Juni. Seitdem liegt der Leitzins in einer Spanne zwischen 1,0 und 1,25 Prozent.
Längst geklärt sind die technischen Details, wie das in den Jahren nach der Finanzkrise auf die Riesensumme von 4,5 Billionen Dollar angeschwollene Portfolio der Fed nach und nach reduziert werden soll. Yellen hat am Mittwochabend Gelegenheit, vor der Presse den weiteren geldpolitischen Kurs abzustecken. Sie dürfte dabei auch den aktualisierten Zinsausblick der Währungshüter kommentieren. Die spannende Frage wird sein, ob die Fed-Führungsmitglieder weiter einen dritten Schritt nach oben in diesem Jahr signalisieren.

Mit dem geplanten Bilanzabbau preschen die US-Währungshüter international voraus und steigen geldpolitisch auf die Bremse: Weder in der Eurozone noch in Japan ist ein solches Manöver absehbar. In der Europäischen Zentralbank (EZB) denkt man zwar darüber nach, wie die Anleihenkäufe nächstes Jahr herunterfahren werden können. Doch selbst wenn das monatliche Kaufvolumen ab Januar sinken sollte, würde die Bilanzsumme der EZB damit noch immer ausgeweitet. Bundesbankchef Jens Weidmann: “Wir sprechen geldpolitisch nicht über eine Vollbremsung, sondern darüber, das Gaspedal nicht noch ständig weiter durchzutreten.”

EZB von restriktivem Kurs noch weit entfernt

Zuletzt hat EZB-Chefvolkswirt Peter Praet betont, dass die Zentralbank bei ihrer Abkehr von der Politik des billigen Geldes sehr vorsichtig sein müsse. Vorerst gelte es, geduldig zu sein und Kurs zu halten, sagte Praet der belgischen Zeitung “De Tijd”. “Ein substanzieller Stimulus ist weiter notwendig.” Dank der anziehenden Konjunktur im Euroraum werde die EZB zwar immer zuversichtlicher, dass sich die Teuerung wieder dem Notenbankziel von knapp zwei Prozent annähert. Aber bislang sei die Inflationsdynamik noch zu schwach. “Im Herbst werden wir über unsere Politik im nächsten Jahr entscheiden”, sagte Praet.

Weidmann hatte die EZB zuletzt gemahnt, den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik nicht zu verpassen. Die Zentralbank überprüft derzeit ihre vor allem in Deutschland umstrittenen Anleihenkäufe und wird voraussichtlich im Oktober dazu Weichenstellungen vornehmen. Mit Hilfe des auf 2,28 Billionen Euro angelegten Wertpapier-Kaufprogramms wollen die Währungshüter Konjunktur und Preise in Euroland anschieben.

Angst, dass EZB-Chef Mario Draghi und Co. scharf auf die Bremse treten könnten, hat an den Börsen niemand. Übertriebener Optimismus oder gar Euphorie herrscht an den Märkten aber auch nicht. Darauf deutet die monatliche Umfrage der Bank of America Merrill Lynch von September unter Fondsmanagern hin. Die Erwartungen der Investoren für die Weltkonjunktur gingen gegenüber dem Vormonat erneut etwas zurück, womit sich der Abwärtstrend seit Jahresbeginn, als große Konjunktureuphorie herrschte, fortsetzte. Nun erwarten netto nur noch 25 Prozent der Fondsmanager (Saldo aus positiven und negativen Antworten) eine bessere Entwicklung der Weltwirtschaft in den kommenden zwölf Monaten (Vormonat: 35 Prozent). Im Januar hatte der Wert dank der damals vorherrschenden Trump-Euphorie noch 62 Prozent betragen.

Optimismus ja, Euphorie nein

Dass die Fondsmanager aber weiterhin grundsätzlich optimistisch eingestellt sind, wird daran ersichtlich, dass 43 Prozent der Befragten in den nächsten zwölf Monaten global ein über dem langfristigen Trend liegendes Wirtschaftswachstum bei einer unter dem Trend liegenden Inflation erwarten. Gleichzeitig wäre für einen hohen Anteil von fast 60 Prozent der Fondsmanager eine Rezession in den nächsten sechs Monaten die potenziell größte Überraschung.

Die Gewichtung von Aktien haben die Anlageprofis vor diesem Hintergrund erneut leicht reduziert; sie befindet sich jedoch weiter leicht über dem langfristigen Durchschnitt. Der Nettoanteil der Fondsmanager, die angaben, in Aktien relativ zu ihrer Benchmark übergewichtet zu sein, fiel von 36 Prozent im Vormonat auf 34 Prozent. Der Durchschnittswert seit Anfang 2010 liegt bei 33 Prozent. Damit ist das Aktienengagement der Fondsmanager aktuell als neutral einzustufen. Die Konjunkturerwartungen und die Aktiengewichtungen deuten damit auf eine optimistische, nicht aber auf eine ausgeprägt euphorische – und damit potenziell gefährliche – Stimmung der Investoren hin.

Die weiterhin relativ üppige Liquiditätshaltung der Fondsmanager weist ebenfalls auf keine Euphorie hin. Die durchschnittliche Liquiditätsquote in den Portfolios ging zwar leicht zurück, auf 4,8 Prozent nach 4,9 im Vormonat und 5,0 im Juni. Damit liegt sie aber noch immer auf relativ hohem Niveau. Geld für weitere Aktienkäufe von Seiten der Fondsmanager ist also weiter vorhanden, so dass Potenzial für eine Fortsetzung des mittelfristigen Aufwärtstrends an den Aktienmärkten besteht. Voraussetzung für dessen Ausschöpfung ist allerdings, dass das fundamentale Umfeld günstig bleibt.

Was die neue Woche bringt

Im Euroraum stehen diese Woche mit den Einkaufsmanagerindizes (PMI) und den ZEW-Konjunkturerwartungen die ersten relevanten Stimmungsindikatoren für September zur Veröffentlichung an. Nachdem eine nachhaltige Korrektur der Konjunktureuphorie bei den Einkaufsmanagerindizes im Verarbeitenden Gewerbe ausgeblieben ist und lediglich der Juli-Wert einen kurzfristigen Ausreißer nach unten zeigte, erscheint ein weiterer Anstieg im September wenig wahrscheinlich (Fr.). Angesichts des zuletzt anhaltend starken Euro-Außenwertes und den Herausforderungen in wichtigen Sektoren, wie der Automobilindustrie in Deutschland, ist für den September tendenziell mit einer Belastung der Stimmung zu rechnen. Dem könnte aber eine verbesserte Stimmung in Frankreich gegenüberstehen, nachdem die Proteste gegen die Arbeitsmarktreformen Emmanuel Macrons insgesamt verhalten blieben.

Für die Eurozone gilt: die Stimmungsblase in der Industrie platzt nicht, die Luft entweicht langsam. Im Dienstleistungssektor hat diese Entwicklung bereits seit April eingesetzt, weshalb für September kein weiterer Rückgang mehr wahrscheinlich ist. Die ZEW-Konjunkturerwartungen hatten mit drei Rückgängen in Folge seit Mai die Korrektur der zuvor übertriebenen Euphorie gleichfalls vollzogen. Es ist davon auszugehen, dass es im September zu einer leichten Erholung kommt (Di.), zumal die EZB-September-Sitzung die stark von der Finanzmarktentwicklung geprägten Indikatoren gestützt haben dürfte. Die endgültige Veröffentlichung der Inflationsrate im Euroraum dürfte keine Überraschungen bringen und den vorläufig gemeldeten Anstieg der Jahresrate von 1,3 Prozent im Juli auf 1,5 Prozent im August bestätigen (Mo.).

In den USA werden diese Woche ebenfalls Stimmungsindikatoren für September veröffentlicht. Dabei stellt sich die Frage, wie stark diese von den Hurrikan-Schäden geprägt sind? An sich geht es der US-Industrie aktuell hervorragend. Die allgemeine Auftragslage ist gut, die gestiegenen Ölpreise dürften die Fracking-Industrie stützen und die neue Nähe zwischen Präsident Trump und den Demokraten lässt auf Steuererleichterungen für Unternehmen hoffen. Gleichzeitig haben ab dem Monatswechsel August/September bis Anfang letzter Woche verschiedenste Wirbelstürme die USA getroffen. Dabei mussten Industriestätten am Golf von Mexiko ihre Produktion für einige Zeit einstellen. Es ist deshalb sowohl für den Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe (Fr.) wie auch für den Frühindikator der Philadelphia-Fed (Do.). anzunehmen, dass sich diese beiden konträren Entwicklungen in etwa ausgleichen und die Stimmungsindikatoren nur leicht gesunken sind. Die Wohnungsbaubeginne sollten im September von der Sturmfront gleichfalls etwas gebremst worden sein (Di.). Dennoch sollte die Bauaktivität im Vergleich zu den schwachen Augustzahlen im September etwas zugelegt haben. Was die Geldpolitik betrifft, dürfte die Fed auf ihrer September-Sitzung (Di./Mi.) den Beginn der Bilanzkürzung für Anfang Oktober ankündigen.

 

Die wichtigsten Konjunkturdaten der neuen Woche

MonatPrognoseLetzter
Montag, 18.9.2017
Verbraucherpreise Euroland (% zum Vorjahr)August1.51.5
Verbraucherpr. Kernrate Euroland (% zum Vorjahr)August1.21.2
NAHB Wohnungsmarktindex USA (Punkte)September6768
Dienstag, 19.9.2017
ZEW Konjunkturerwartungen Deutschl. (Punkte)September13.510
ZEW Aktuelle Lage Deutschand (Punkte)September86.586.7
ZEW Konjunkturerwartungen Euroland (Punkte)September31.229.3
Wohnungsbaubeginne USA (Tsd.)August11801155
Mittwoch, 20.9.2017
Fed-Zinsentscheid USA (%)September1.251.25
Donnerstag, 21.9.2017
Bank of Japan Zinsentscheid (%)September-0.1-0.1
Philadelphia Fed-Index USA (Punkte)September1718.9
Verbrauchervertrauen Euroland (Punkte)September-1.2-1.5
Freitag, 22.9.2017
PMI Verarb. Gewerbe Deutschland (Punkte)September59.159.3
PMI Dienstleistungen Deutschland (Punkte)September53.453.5
PMI Verarb. Gewerbe Euroland (Punkte)September57.457.4
PMI Dienstleistungen Euroland (Punkte)September54.854.7
PMI Verarb. Gewerbe USA (Punkte)September52.552.8