Europas Aktienmärkte wurden in letzter Zeit durch einen sich festigenden Euro gebremst. Nach oben getrieben wurde die Gemeinschaftswährung durch den Durchbruch bei den Sondierungsgesprächen von CDU/CSU und SPD über eine große Koalition und mehr noch einen absehbaren Schwenk der Europäischen Zentralbank (EZB) in Sachen Geldpolitik. Unter Druck gerieten deshalb vor allem Exportwerte, da sich deren preisliche Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten unter einem starken Euro verschlechtert. In den vergangen zwölf Monaten legte er immerhin um gut 15 Prozent gegenüber dem Dollar zu.
Wie aus den jüngst veröffentlichten Protokollen der EZB-Ratssitzung vom Dezember hervorgeht, nimmt unter den Währungshütern die Diskussion über die nächsten geldpolitischen Schritte hin zur Zinswende allmählich Fahrt auf. Auf kurze Sicht könnte der Euro nach Ansicht von Devisenexperten noch etwas zulegen, früher oder später sollte sich jedoch die Erkenntnis durchsetzen, dass die Geldpolitik der EZB noch lange überaus expansiv bleibt. Das dürfte die Euro-Optimisten wieder auf den Boden der Tatsachen holen.
Gemischte Bewertung der Sondierungsergebnisse bei Ökonomen
Der Durchbruch bei den Sondierungsgesprächen über eine große Koalition beschleunigte die Euro-Rally. Die Parteien verständigten sich auf Reformen in der EU und der Eurozone. Beispielsweise zeigten sich die Sondierer offen für einen Stabilisierungsfonds für Euro-Zonen-Länder. Bei führenden deutschen Wirtschaftsforschern sorgte das Ergebnis der Sondierungen allerdings für ein eher negatives Echo. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin kritisierte, die Resultate deuteten auf viele Kompromisse und wenige richtungsweisende Reformen hin: “Es fehlt eine klare Vision und es fehlen mutige Reformen, die Deutschland zukunftsfähig machen könnten”, meinte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Positiv sei dagegen der Plan, das Kooperationsverbot in der Bildung abzuschaffen, damit auch der Bund mehr Verantwortung für die Qualität der Bildung übernehmen könne: “Positiv ist ebenso das Versprechen, mehr Langzeitarbeitslose zu integrieren. Vor allem aber ist das Bekenntnis zu Europa erfreulich”, betonte Fratzscher.
Der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte, die Sondierer stellten die “Weichen in Richtung mehr Staat und hohe Steuern”. In der Finanzpolitik liege der Schwerpunkt des Programms in Ausgabensteigerungen, vor allem im Ausbau von Sozialleistungen: “Einkommensteuer-Senkungen finden praktisch nicht statt, es gibt keine Änderungen beim Einkommensteuertarif.” Beim Solidaritätszuschlag solle es nur eine Entlastung von zehn Milliarden Euro für den Zeitraum 2018 bis 2021 geben, was bei Einnahmen aus dem Soli von rund 80 Milliarden Euro in diesen vier Jahren “sehr wenig” sei. Die Soli-Senkung gleiche den Anstieg der Steuerquote durch kalte Progression nicht aus. Durch die geplante Freigrenze beim Soli würden Bezieher höherer Einkommen von “jeglicher Steuerentlastung ausgeschlossen”, so der Steuerexperte.
Werden steigende Bondrenditen zum Killer der Aktienhausse?
Was Anlegern vergangene Woche neben der Euro-Aufwertung Kopfzerbrechen bereitete, war der Anstieg der Renditen für Staatsanleihen. Zehnjährige US-Bonds erreichten ein Zehn-Monats-Hoch von rund 2,6 Prozent. In ihrem Schlepptau stieg die Rendite von Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit auf fast 0,5 Prozent, den höchsten Stand seit zweieinhalb Monaten. Profiteure der steigenden Zinsen waren Finanzwerte. Der europäische Banken-Index kletterte auf ein Zwei-Jahres-Hoch, wobei die Commerzbank Spitzenreiter war und so hoch notierte wie zuletzt vor drei Jahren.
Börsianer fragen sich angesichts der anziehenden Anleiherenditen, ob es das war mit der langjährigen Aktienhausse. Zumal Aktien, insbesondere in den USA, aktuell keineswegs mehr billig sind. Zieht man allerdings das Shiller-KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) zurate, ist die Bewertung des US-Aktienmarkts (S&P 500) noch weit von derjenigen zur Zeit der Dotcom-Blase entfernt. Beim Shiller-KGV werden der Berechnung die inflationsbereinigten Gewinne der vergangenen zehn Jahre zugrunde gelegt. Steigende Unternehmensgewinne dank der US-Steuerreform wird das KGV am amerikanischen Aktienmarkt sogar tendenziell sinken lassen. Beim DAX und dem Euro Stoxx 50 kann von relativ zu teuren Aktienmärkten bis dato ohnehin keine Rede sein.
Nachdenklich könnte so manchen Investor jüngst die Meldung gestimmt haben, dass das chinesische Finanzministerium über eine Verringerung der US-Anleihekäufe nachdenkt. Wird das die Renditen von US-Bonds und infolge des internationalen Zinszusammenhangs auch die Renditen europäischer und deutscher Staatsanleihen nach oben treiben – und damit den Aktienmärkten schaden? Eher nicht, und zwar vor allem aus zwei Gründen. Erstens kann China wegen seiner enormen Exportüberschüsse gegenüber den USA gar nicht auf den Kauf von US-Bonds verzichten. Schließlich dienen diese der Finanzierung des US-Leistungsbilanzdefizits. Die Alternative wäre, dass China seine Exporte nach Amerika einschränkt. Das wäre aber sicher nicht im Interesse Pekings. Zweitens: Gingen die Bonds-Renditen zu rasch und stark nach oben, würde die US-Notenbank Fed wohl nicht zögern und erneut beginnen, in großem Umfang US-Staatsanleihen zu kaufen. Denn die Fed möchte weder eine neue Finanzkrise in Kauf nehmen, noch die Konjunktur abwürgen.
Unsicherheit über Zahl der Fed-Zinserhöhungen 2018
In das Jahr 2018 startete die Fed mit einem neuen stimmberechtigten Offenmarktausschuss (FOMC). Zentraler Diskussionspunkt der FOMC-Mitglieder ist die Anzahl der notwendigen Zinsschritte im Jahr 2018 vor dem Hintergrund der Umsetzung der Trump’schen Steuerreform. Zudem besteht die Sorge, dass es zu einer inversen Zinskurve kommt, bei der die kurzfristigen Zinsen höher als die langfristigen liegen. Sehr zurückhaltend bei den Zinsschritten äußerten sich Charles Evans, Neel Kashkari und Patrick Harker.
Der neue stimmberechtigte Atlanta Fed-Chef Raphael Bostic erklärte, im Basisszenario sehe er zwei bis drei Zinsschritte in diesem Jahr. Für mehr Zinsanhebungen müsse die Inflation deutlich zulegen. Genau diese Sorge treibt Dallas Fed-Präsident Robert Kaplan um. Er warnte, dass durch die konjunkturstimulierende Wirkung der Steuerreform die Inflation leicht überschießen könnte. Aus diesem Grund sprach sich Cleveland-Fed-Chefin Loretta Mester sogar für vier Zinsschritte aus. Insgesamt bleibt die Unsicherheit um die künftige Zinsentwicklung somit hoch. Die offizielle Prognose des FOMC sieht drei Schritte für 2018 vor.
Die Finanzmärkte preisen demgegenüber aktuell nur zwei Anhebungen ein. Kein Wunder, ist doch eine nachhaltige Beschleunigung der Inflation nach wie vor nicht in Sicht. Das hat zum einen mit dem global harten Wettbewerb zu tun, der scharfe Preiserhöhungen kaum zulässt. Zum anderen könnte der zuletzt gestiegene Ölpreis bald wieder sinken, da sich die Argumente für steigende Notierungen für das flüssige Gold in Grenzen halten. So erwartet die US-Energiebehörde EIA einen deutlichen Anstieg der US-Rohölproduktion. Eine höhere Förderung in Nordamerika bei stabiler Opec-Fördermenge spricht für wieder sinkende Ölpreise. Von Seiten der Energiepreise dürfte der Inflationsdruck demnächst also wieder abnehmen. Im Übrigen wäre eine leicht höhere Inflation wohl kein Grund, auf den die US-Geldpolitik reagieren würde. Innerhalb der Fed denkt man schließlich längst darüber nach, ein Überschreiten der Inflationsmarke von zwei Prozent für einen längeren Zeitraum zu tolerieren.
Die Veröffentlichung des Protokolls der Dezember-EZB-Sitzung, wonach die Euro-Währungshüter ihre Kommunikation bald ändern könnten, stellt für die Finanzmärkte ebenfalls nicht wirklich ein Problem dar. Dank verbesserter Wachstumsaussichten in Euroland könnten die ohnehin bis Ende September 2018 befristeten Wertpapierkäufe tatsächlich ohne weitere Verlängerung eingestellt werden. So sieht Notenbanker Benoit Coeuré eine realistische Chance, dass die beschlossene Verlängerung der Käufe bis September tatsächlich die letzte gewesen sein könnte.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hält nach wie vor ein klar kommuniziertes Ende des Kaufprogramms für gerechtfertigt. Er zeigte sich zudem optimistisch, dass sich die Inflationsbelebung fortsetze. Laut dem Protokoll der letzten EZB-Sitzung teilen viele Ratsmitglieder grundsätzlich diese Auffassung. Besonders für Aufsehen sorgte aber, dass die EZB ihre Kommunikation (Forward Guidance) bereits früh im laufenden Jahr anpassen könnte. Denkbar ist hier etwa ein Fallenlassen der Passage, dass die Anleihekäufe ausgeweitet werden, falls sich die Rahmenbedingungen verschlechtern.
Selbst wenn das Kaufprogramm im September beendet wird, dürfte die Liquiditätsausstattung der Eurozone üppig bleiben, zumal Erträge und Rückzahlungen aus Anleihen im Besitz der EZB wieder angelegt werden. Was die EZB-Leitzinsen betrifft, ist weiterhin zu erwarten, dass diese erst weit nach dem Ende der Wertpapierkäufe erhöht werden – und dann auch nur äußerst behutsam.
Was die neue Woche bringt
In der Eurozone steht eine datenarme Woche an. Aus diesem Grund dürften (wirtschafts-) politische Ereignisse verstärkt in das Blickfeld der Märkte rücken. Neben den Ergebnissen der Sondierungsverhandlungen zur Regierungsbildung in Deutschland liegt das Augenmerk auf den Fortschritten der Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie sowie bei Volkswagen. Die EZB dürfte sich von Lohnabschlüssen bei 3 – 3 ½ Prozent insgesamt in ihrer langsamen geldpolitischen Normalisierung bestätigt sehen.
Datenseitig dürfte diese Woche ebenfalls wenig für eine Kursänderung der EZB sprechen. So sind bei den endgültigen Dezember-Inflationszahlen für Deutschland (Mo.) und den Euroraum (Mi.) keine Überraschungen zu erwarten. Sie dürften weiterhin eine wenig dynamische Preisentwicklung am Jahresende anzeigen. Dies sollten die Erzeugerpreise für die deutsche Industrie bestätigen, die zwar im Dezember zum Vormonat gestiegen sein dürften, womit die Jahresrate aber unverändert bei 2,5 Prozent stagniert haben sollte (Fr.).
In den USA startet das neue Jahr wie das alte Jahr aufgehört hat: mit einer Budgetdebatte. Am Freitag um 24 Uhr Ostküstenzeit (Samstag: 6 Uhr morgens, MEZ) läuft die Übergangsfinanzierung der US-Bundesregierung aus. Sollte bis dahin keine neue Finanzierung beschlossen sein, kommt es zum Shutdown. Wahrscheinlich ist, dass im Kongress wieder eine Übergangsfinanzierung beschlossen wird. Diese sollte aber erneut nur wenige Wochen umfassen. Denn die Übergangsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung des Schuldendienstes sind nach dem Erreichen der Schuldenobergrenze im Herbst bis Ende Februar wohl ausgeschöpft. Spätestens dann sollte der Kongress eine dauerhaftere Lösung für die Finanzen des Landes gefunden haben.
Bei den US-Konjunkturdaten richtet sich das Interesse primär auf die Industrieproduktion. Sie sollte im Dezember weiter zugelegt haben (Mi.). Maßgebend hierfür dürfte fast ausschließlich die hohe Energieproduktion sein, wegen der eisigen Witterung zum Jahresende. Da in den USA hauptsächlich strombetriebene Heizungen genutzt werden, ist die Energienachfrage seit Mitte Dezember sehr hoch. Bergbau und Ölförderung konnten hiervon nur bedingt profitieren. Statt einer deutlichen Produktionsausweitung wurden in diesen Bereichen vor allem Lagerbestände abgebaut.
Der Häuserbau dürfte gleichfalls durch die kalte und schneereiche Witterung belastet worden sein. Daher sollten die Wohnungsbaubeginne im Dezember, ungeachtet der guten Vorgaben
der Frühindikatoren, etwas niedriger als im Vormonat ausgefallen sein (Do.). Die Aussichten für den Jahresstart sollten positiv bleiben. So dürfte der Frühindikator der Federal Reserve Bank von Philadelphia im Zuge des guten globalen konjunkturellen Umfelds noch etwas gestiegen sein (Do.).
Die wichtigsten Konjunkturdaten der neuen Woche
Monat | Prognose | Letzter | |
---|---|---|---|
Montag, 15.1.2018 | |||
keine wichtigen Daten | |||
Dienstag, 16.1.2018 | |||
Verbraucherpreise Deutschland (% zum Vorjahr) | Dezember | 1.7 | 1.7 |
Empire State-Index USA (Punkte) | Januar | 18.5 | 18 |
Mittwoch, 17.1.2018 | |||
Auftragseing. Maschinenbau Japan (% zum Vorm.) | November | -1.2 | 5 |
Verbraucherpreise Euroland (% zum Vorjahr) | Dezember | 1.4 | 1.5 |
Verbraucherpr. Kernrate Euroland (% zum Vorjahr) | Dezember | 0.9 | 0.9 |
Industrieproduktion USA (% zum Vormonat) | Dezember | 0.4 | 0.2 |
NAHB Wohnungsmarkt-Index USA (Punkte) | Januar | 72 | 74 |
Donnerstag, 18.1.2018 | |||
BIP China (% zum Vorjahr) | Q4 | 6.7 | 6.8 |
Industrieproduktion China (% zum Vorjahr) | Dezember | 6.1 | 6.1 |
Philadellphia Fed-Index USA (Punkte) | Januar | 27 | 26.2 |
Wohnungsbaubeginne USA (Tsd.) | Dezember | 1270 | 1297 |
Freitag, 19.1.2018 | |||
Erzeugerpreise Deutschland (% zum Vorjahr) | Dezember | 2.5 | 2.5 |
Uni Michigan-Konsumentenvertrauen USA (Punkte) | Januar | 97.9 | 95.9 |