Nach Einschätzung der Industriestaaten-Organisation OECD steigen die Löhne in Deutschland angesichts der guten Konjunktur zu langsam. „Das Lohnwachstum ist verhalten geblieben, trotz der niedrigen Arbeitslosigkeit und der wachsenden Zahl freier Stellen“, erklärte die OECD in ihrem jüngst veröffentlichten Beschäftigungsausblick. „Einstiegslöhne für Zuwanderer sind niedrig, und eine hohe Zahl älterer Arbeitnehmer und Zweitverdiener haben gering entlohnte Stellen angenommen.“ 2016 seien die Löhne um zwei Prozent gestiegen, 2018 dürften es 2,5 Prozent werden, während die Arbeitslosigkeit weiter sinke.
Für verbesserungswürdig hält OECD-Generalsekretär Angel Gurria noch andere Dinge. „Zwei Schwächen der Entwicklung in Deutschland sind der höhere Anteil von Arbeitsplätzen mit starkem arbeitsbedingtem Stress und eine große Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern“, erklärte er. „Letztere rührt vor allem daher, dass Frauen weniger Arbeitsstunden aufweisen als Männer.“ Um das zu ändern, rät die Organisation zu einer niedrigeren Besteuerung von Zweitverdienern. Dadurch könnten der Anteil von Frauen in Vollzeitarbeit erhöht und ihre Karrierechancen verbessert werden. „Flächendeckende Angebote für Ganztagsbetreuung von Kindern und Ganztagsschulen würden es Eltern einfacher machen, Familie und Arbeit in Vollzeit zu vereinbaren.“
Insgesamt sieht die OECD den deutschen Arbeitsmarkt aber in einer guten Verfassung. Gurria führte dies auch auf das Zusammenspiel von Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften zurück. Bis Ende 2018 werde die nach internationalen Standards berechnete Arbeitslosenquote auf 3,7 Prozent sinken. Das sei weniger als die Hälfte des Niveaus von 2007, als die weltweite Finanzkrise ihren Lauf nahm. Der Schnitt der 35 OECD-Länder liegt derzeit bei 6,2 Prozent. „Die Einführung eines bundesweiten Mindestlohns am 1. Januar 2015 hat den seit sieben Jahren währenden Rückgang der Arbeitslosigkeit nicht unterbrochen“, betonte die OECD.