Jeder kann unvermittelt in eine Situation geraten, in der er nicht mehr in der Lage ist, seinen eigenen Willen zu äußern – auch im Hinblick auf die medizinische Behandlung. Eine Patientenverfügung hilft zu regeln, wer dann über die weitere Versorgung entscheiden darf. Sie bietet Klarheit für Angehörige, Ärzte und Pfleger. Und ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs macht deutlich, wie wichtig die richtige Formulierung in der Patientenverfügung ist.

Krankheit und der eigene Tod sind Themen, über die man nicht gerne nachdenkt. Aber wer möglichst lange selbstbestimmt leben möchte, sollte sich damit auseinandersetzen. Schließlich kann es sehr schnell gehen: „Ein Herzinfarkt, ein Schlaganfall oder ein Unfall kann jeden treffen und ein Leben in Minuten dramatisch verändern“, sagt Alfred Simon, Professor und Geschäftsführer der Akademie für Ethik in der Medizin. „Schließlich sterben etwa 50 Prozent der Menschen im Krankenhaus. Nimmt man das Pflegeheim dazu, sind es sogar zwei Drittel der Bundesbürger, die in Institutionen sterben und häufig nicht mehr entscheidungsfähig sind.“ Plötzlich liege man im Koma und werde künstlich am Leben gehalten. Schlimm für die Angehörigen, die mit der Situation überfordert sind, weil sie nicht wissen, wie sie entscheiden sollen.

Den Willen schriftlich äußern
Natürlich kann es auch anders kommen. Demenz beispielsweise ist ein schleichender Prozess. Dabei ist es wichtig, dass der Betroffene seinen eigenen Willen in einem frühen Stadium der Krankheit äußert, am besten schriftlich. Er kann seine Wünsche zu medizinisch-pflegerischen Situationen zusätzlich als Audiodatei aufnehmen, beispielsweise mit dem Smartphone. Zu bedenken ist aber: Eine Datei auf dem Computer kann schneller verloren gehen als eine Verfügung auf Papier, die Sie an einer sicheren Stelle ablegen. Der Bundesgerichtshof hat aber, so Alfred Simon, 2014 unterstrichen, dass es sich zwar bei einer Audiodatei nicht um eine Patientenverfügung handle, sondern um einen sogenannten sonstigen Behandlungswunsch. Dieser hat jedoch auch als Audiodatei rechtlich betrachtet Bestand.

Aktueller BGH-Beschluss stellt unzählige Patientenverfügungen infrage

Im Ernstfall sind vermutlich viele Patientenverfügungen unwirksam. Mit seinem Beschluss vom Juli dieses Jahres (AZ XII ZB 61/16 ) stellt der BGH vermutlich hunderttausende, wenn nicht gar Millionen bestehende Patientenverfügungen infrage. Zu allgemein gehaltene Formulierungen reichen demzufolge nicht aus: „Die schriftliche Äußerung, ‚keine lebenserhaltenden Maßnahmen‘ zu wünschen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen“, heißt es unter anderem. Der Beschluss schürt große Unsicherheiten, soll aber letztlich helfen, Ärzten und Pflegepersonal eindeutige Handlungsanweisungen an die Hand zu geben und zwischen Angehörigen und medizinischem Personal zu vermitteln.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz  stellt ausführliche Informationen zum Thema Patientenverfügung bereit. Außerdem beraten zahlreiche Vereinigungen (teilweise gegen Gebühr) wie etwa die Bundeszentralstelle Patientenverfügung des Humanistischen Verbands Deutschlands, die Verbraucherzentralen  oder auch auf Medizinrecht spezialisierte Anwaltskanzleien und Notare. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, dem können auch Dienstleister wie DIPAT eine wertvolle Hilfe sein. Der Service ist zwar nicht kostenlos, sondern liegt bei einem Preis von mindestens 1 Euro pro Monat (bei einem Vierjahresvertrag), dafür erhält der Ratsuchende aber umfassende Unterstützung bei der selbständigen Erstellung einer wirksamen Patientenverfügung. Über ein ausführliches Online-Interview mit anschaulichen Beispielen werden Vorstellungen und Wünsche zu lebensentscheidenden Diagnosen abgefragt. Die Antworten übersetzt das Programm in eine Patientenverfügung mit ausreichend medizinischen Details. Bei Fragen helfen Berater über eine Hotline (zum Ortstarif). Auf Wunsch wird das Dokument online hinterlegt und kann im Ernstfall schnell und unkompliziert abgerufen werden. Außerdem erhalten Kunden einen Aufkleber für die Gesundheitskarte mit einem Hinweis auf das hinterlegte Dokument.

Grundsätzlich sagen Sie mit einer Patientenverfügung, was mit Ihnen im Fall einer schweren, aussichtslosen Erkrankung in Bezug auf medizinische Behandlung und Pflege passieren soll. So können Sie beispielsweise den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen wie künstliche Ernährung verlangen. Aber auch das Gegenteil: Sie können fordern, dass man Sie so lange wie möglich am Leben hält. Die Patientenverfügung bezieht sich ausnahmslos auf Ihre Situation als Schwerstkranker und Ihre medizinische Behandlung. Mit ihr vergeben Sie keine Vollmachten über Ihr Vermögen.

Wichtig ist bei der Patientenverfügung, dass Sie mögliche Situationen so konkret wie möglich beschreiben. „Eine Patientenverfügung ist für Ärzte nur dann bindend, wenn sie sich auf die aktuelle Behandlungssituation bezieht und den Behandlungswunsch des Patienten klar zum Ausdruck bringt“, sagt Alfred Simon. Das bedeutet jedoch, dass eine ausgefüllte Standard-Patientenverfügung häufig nicht ausreicht. Denn ein Vordruck ist oft nicht in der Lage, einen individuellen Wunsch wiederzugeben.

verbrauchertipp: Formulieren Sie die Patientenverfügung am besten schriftlich und mit eigenen Worten, handschriftlich nur dann, wenn Ihre Handschrift gut leserlich ist.

Zwar kann der Arzt im Notfall versuchen, Ihren Willen herauszufinden, indem er Ihre Freunde und Angehörigen befragt. „Doch das setzt voraus, dass Sie sich mit diesen über das Thema unterhalten haben. Außerdem haben diese kein Recht, stellvertretend für den Betroffenen zu entscheiden“, sagt Simon. Dies darf nur der vom Gericht bestellte Betreuer oder der von Ihnen benannte Bevollmächtigte. „Die Benennung einer Vertrauensperson zum sogenannten Vorsorgebevollmächtigten ist also wichtig, damit Ihre Behandlungswünsche in der konkreten Situation umgesetzt werden können.“ Besteht beim Arzt auch nur der geringste Zweifel, wird er lebensverlängernde Maßnahmen nicht abbrechen. Wollen Sie jedoch nicht in Ihren letzten Tagen von Maschinen und Schläuchen am Leben gehalten werden, ist eine Patientenverfügung der bessere Weg, nicht nur für Sie, sondern auch für Ihre Verwandten oder Vertrauenspersonen. Diese müssen sonst eine schwerwiegende Entscheidung treffen, deren Verantwortung sie möglicherweise nicht tragen wollen.

Instrumente zur Vorsorge
Um Ihre Vorsorge für den Notfall bestmöglich zu regeln, stehen drei Instrumente zur Verfügung:
• die Patientenverfügung,
• die Vorsorgevollmacht und
• die Betreuungsverfügung .

Inhalt der Verfügung
„Für den Laien ist es schwierig, sich vorzustellen, welche Situationen auf ihn zukommen könnten und wie diese behandelt werden könnten“, warnt Experte Simon. Er rät dazu, sich im Internet, auf Veranstaltungen oder bei Beratern über das Thema zu informieren. Betreuungsvereine und manche Hospizvereine bieten darüber hinaus Beratung bei der Erstellung einer Patientenverfügung an. Außerdem rät Simon, die Patientenverfügung mit dem Hausarzt zu besprechen. Auch der Staat hilft mit Informationen weiter.

So rät das Justizministerium zu folgenden Bausteinen in der Patientenverfügung:

• Eingangsformel,
• Situationen, für die die Patientenverfügung gelten soll,
• Festlegungen zu ärztlichen/pflegerischen Maßnahmen,
• Wünsche zu Ort und Begleitung,
• Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht,
• Aussagen zur Verbindlichkeit,
• Hinweise auf weitere Vorsorgeverfügungen,
• Hinweis auf beigefügte Erläuterungen zur Patientenverfügung,
• Hinweis zur Organspende,
• Schlussformel,
• Schlussbemerkungen,
• Hinweise auf eine Beratung im Vorfeld,
• Bestätigung einer ärztlichen Aufklärung,
• Datum, Unterschrift,
• Aktualisierung(en), Datum, Unterschrift.

verbrauchertipp: Sollte Ihnen dieser Aufbau bürokratisch und kompliziert vorkommen, bedenken Sie, dass es um Leben und Tod geht. Deshalb muss ganz detailliert festgehalten werden, in welchem Fall der Arzt wie handeln soll.

In einer Broschüre des Justizministeriums finden sich ausformulierte Eingangsformeln.
Mithilfe der Vorlagen kann so Schritt für Schritt die Patientenverfügung aufgesetzt werden. Im Anschluss sollte das Dokument in Kopie beim Hausarzt hinterlegt werden.

verbrauchertipp: Sie können zusätzlich eine Notiz in Ihr Portemonnaie stecken, in der sinngemäß steht: „Im Notfall bitte meinen Hausarzt XYZ, Telefonnummer: XYZ informieren. Bei ihm ist eine Patientenverfügung hinterlegt.“

Wenn sich die Einstellung zur medizinischen Versorgung im Notfall ändert, kann die Patientenverfügung umgeschrieben werden. Sinnvoll ist, sie jährlich einmal durchzulesen. Stimmen die Formulierungen noch mit Ihrem Wunsch überein? Dann unterschreiben Sie nochmals, und setzen Sie das aktuelle Datum dazu. Hat sich Ihre Meinung geändert, vernichten Sie die alte Patientenverfügung und setzen Sie eine neue auf. So vermeiden Sie Missverständnisse.

Ergänzung zur Patientenverfügung
Alfred Simon rät, zusätzlich zur Patientenverfügung eine Vorsorgevollmacht oder eine Betreuungsverfügung aufzusetzen: „In der Vorsorgevollmacht legt man fest, wer den eigenen Willen gegenüber den Ärzten vertreten und stellvertretend in medizinische Maßnahmen einwilligen oder diese ablehnen darf.“ Die Vollmacht kann sich aber auch auf andere Bereiche, wie zum Beispiel das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Vertretung bei Post und Behörden oder auf finanzielle Angelegenheiten erstrecken. Die Betreuungsverfügung wiederum beinhaltet einen Vorschlag, wen das Gericht zum Betreuer bestimmen soll, wenn kein Bevollmächtigter vorhanden oder dieser verhindert ist. Sie kann ergänzend oder alternativ zur Vorsorgevollmacht erstellt werden.

Quelle: verbraucherblick Ausgabe 09/2016