Wer Vermögen besitzt, kann notfalls auch einen Zeitraum ohne Einkommen überbrücken. Doch wie lang ist die Zeitspanne, während der deutsche Haushalte ohne Gehalt oder anderes Einkommen auf ihre Ersparnisse zurückgreifen können? Im Bundesdurchschnitt reicht das Vermögen für ein Jahr und elf Monate, doch innerhalb der Bevölkerungsgruppen unterscheiden sich die Zeitspannen erheblich voneinander: Rund jeder dritte deutsche Haushalt kann lediglich einige Wochen oder wenige Monate von den Reserven leben, 20 Prozent könnten maximal zwei Jahre durchhalten. Fünf Prozent der Haushalte können hingegen mindestens 20 Jahre vom Vermögen zehren, bis es aufgebraucht ist. Dies ist das zentrale Ergebnis des aktuellen Verteilungsberichts des Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Die Studie basiert auf Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP), einer jährlichen Umfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin unter rund 10.000 Haushalten. Für die Analyse wurde unterstellt, dass aus dem Vermögen monatliche Ausgaben in Höhe von 1.250 bis 2.600 Euro gedeckt werden müssen. Dieser Betrag entspricht dem durchschnittlichen monatlichen Konsum der deutschen Haushalte. Für die Studie wurde unterstellt, dass die Ausgaben bei Wegfall des Einkommens nicht reduziert werden. Zwar gebe es sehr vermögende Haushalte mit sehr hohen Konsumausgaben und auch solche, die zwar vermögend sind, aber bescheiden leben. Doch generell zeige sich, dass umso länger ohne Einkommen leben kann, wer auf viel Vermögen zurückgreifen kann.

Vermögen ungleicher als Einkommen verteilt

Laut Studie ist die Ungleichverteilung in Deutschland höher ausgeprägt als in anderen Ländern der Eurozone: So liegt der so genannte Gini-Koeffizient aktuell bei 0,731, bezogen auf das Haushaltsvermögen pro Kopf. Dieser Koeffizient ist umso höher, je ungleicher das Vermögen verteilt ist – im Extremfall würde er 1 betragen, wenn das gesamte Vermögen nur einer Person in Deutschland gehören würde. Der Wert ist mehr als doppelt so hoch wie beim verfügbaren Haushaltseinkommen. Bezogen auf diesen Wert beträgt der Gini-Koeffizient 0,29 – sprich: Die Einkommensverteilung ist in Deutschland gleichmäßiger als die Vermögensverteilung.

Ostdeutsche liegen zurück

Im Durchschnitt reicht das Vermögen der ostdeutschen Haushalte nur halb so lang wie das der westdeutschen: Sie würden nicht einmal ein Jahr ohne Einkommen zurechtkommen. 40 Prozent könnten ihren Konsum nur einige Wochen bis wenige Monate aus dem Vermögen finanzieren, im Westen ist die Quote mit 30 Prozent deutlich niedriger. Zudem können zehn Prozent der Haushalte 22 Jahre durchhalten, im Osten reicht das Vermögen nur elf Jahre.

Ältere können auf mehr Vermögen zurückgreifen

Haushalte mit älteren Personen verfügen in der Regel über mehr Vermögen, da sie über einen langen Zeitraum die Möglichkeit hatten, Geld anzusparen. Daher reicht das Vermögen bei Haushalten mit einem Haushaltsvorstand über 65 Jahre im Schnitt mit vier Jahren doppelt so lange wie im Bundesdurchschnitt. Das trifft allerdings nicht durchweg zu: So weisen die Autoren der Studie darauf hin, dass 20 Prozent dieser Haushalte höchstens wenige Wochen von ihrem Vermögen leben könnten.

Wie viele andere Studien belegt auch diese, dass die wirtschaftliche Situation von Alleinerziehenden besonders prekär ist: 40 Prozent dieser Haushalte verfügen über gar kein Vermögen, auf das sie bei einem Einkommensausfall zurückgreifen könnten. Bei dieser Bevölkerungsgruppe liegt der Mittelwert mit zwei Monaten weit niedriger als im Bundesdurchschnitt (ein Jahr, elf Monate).