Baugeld ist günstig wie nie, Wohnungen und Häuser verkaufen sich in vielen Regionen wie geschnitten Brot. Dennoch stagnierte die Wohneigentumsquote in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren im europäischen Vergleich auf einem niedrigen Niveau. Zu diesem Fazit kommen Judith Niehues und Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) in einer aktuellen Studie. Seit die Quote zwischen 2006 und 2011 von rund 40 auf 45,4 Prozent gestiegen ist, verharrt sie auf diesem Niveau. Zu dem vorherigen Anstieg hat nach Ansicht der Autoren unter anderem die Finanzkrise beigetragen, doch dieser Trend habe sich nicht fortgesetzt. Dies sei als überraschend anzusehen, weil sich die Zinsen seit 2010 halbiert hätten und Wohneigentum seit Jahren deutlich günstiger als das Wohnen zur Miete sei. Die gestiegenen Immobilienpreise sehen die beiden nicht als Ursache, denn dieser Effekt werde von den niedrigeren Zinsen überkompensiert. Im Bundesdurchschnitt liegt der Vorteil laut IW bei 30 Prozent, auch in den Großstädten sei Kaufen günstiger als Mieten. Die niedrigen Renditen von Altersvorsorgeprodukten müssten laut IW zusätzlich dazu beitragen, dass die Wohneigentumsquote steigt, denn damit wird eine abbezahlte Wohnung im Alter eine sinnvolle Option für die private Vorsorge.
Junge und Arme verhindern Anstieg
Warum die Quote trotz dieser Fakten stagniert? Die beiden Autoren führen das auf die schwache Wohneingentumsbildung bei Haushalten mit geringem Einkommen zurück. So hat das jüngste Sozio-ökonomische Panel (SOEP) laut IW ergeben, dass die Quote bei 65- bis 74-Jährigen seit 2010 auf 58,3 Prozent gestiegen ist, auch die Gruppe mit dem höchsten Einkommen hat verstärkt Eigentum gebildet – 69,1 Prozent dieser Gruppe besitzen eine Immobilie. Doch in den unteren Einkommensgruppen stagnierte die Quote oder ging sogar zurück. Unter den ärmsten 20 Prozent des SOEP liegt sie bei lediglich 17,4 Prozent. Die Daten des SOEP werden jährlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf Basis der Angaben von 30.000 Teilnehmern erhoben.
Es fehlt an Eigenkapital
Jüngere und ärmere Haushalte bleiben also überwiegend Mieter. Eine Ursache sehen Niehues und Voigtländer darin, dass diesen beiden Gruppen das erforderliche Eigenkapital fehlt. Nach Angaben einer Studie der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Thema Haushalt und private Finanzen haben lediglich rund 20 Prozent der Mieterhaushalte ein Vermögen von 50.000 Euro auf der hohen Kante. Bedenkt man die Nebenkosten eines Immobilienkaufs, die je nach Ort bis zu 15 Prozent betragen können, bleibt für die eigentliche Finanzierung des Immobilienerwerbs nicht mehr viel Eigenkapital übrig, denn die Nebenkosten müssen aus vorhandenen Mitteln bezahlt werden. Da die Banken in der Regel rund 20 Prozent Eigenkapital für die Baufinanzierung voraussetzen, reichen die Ersparnisse selbst für eine nicht zu teure Wohnung kaum aus. So setzt eine Wohnung für 200.000 Euro angesichts dieser Aspekte ein Eigenkapital von 60.000 Euro voraus, rechnen die beiden Experten vor.
Staatliche Hilfen erforderlich
Um auch diesen Bevölkerungsgruppen den Weg zu den eigenen vier Wänden zu ebnen, könnte beispielsweise die Grunderwerbsteuer gesenkt werden oder entfallen. Je nach Bundesland beträgt sie mittlerweile immerhin 6,5 Prozent des Kaufpreises. Eine andere Option sehen die Forscher in Darlehen, die als Eigenkapitalersatz von den Banken anerkannt werden und von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vergeben werden könnten. Lange Zinsbindungen und eine hohe Tilgung – auch über Zuschüsse – wären nach Ansicht der Autoren erforderlich, um eine Schuldenkrise wie in den USA zu vermeiden. Beides hilft, die Risiken bei einer Anschlussfinanzierung zu senken. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland in Sachen Wohneigentumsquote weit zurück: In der EU beträgt die Quote im Schnitt 70,1 Prozent Spitzenreiter ist Rumänien mit 96,1 Prozent, Schlusslicht ist Deutschland. In der Schweiz ist die Quote allerdings noch niedriger. In Frankreich und Großbritannien hingegen leben zwei von drei Einwohnern in den eigenen vier Wänden.
Von Claudia Lindenberg