Führende Wirtschaftsforscher sehen Deutschland bis mindestens 2018 im Aufschwung. Allerdings hinterlässt das Brexit-Votum Bremsspuren: Für 2017 wird eine spürbare Wachstumsdelle erwartet. Am pessimistischsten ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von nur noch 1,0 Prozent voraussagt. „Die Wirtschaft wird wohl im kommenden Jahr einen deutlichen Dämpfer erhalten“, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher am Donnerstag. Das Brexit-Votum sorge für Unsicherheit und werde weltweit viele Unternehmen dazu bringen, geplante Ausgaben aufzuschieben. Es dürfte den BIP-Zuwachs um 0,3 Prozentpunkte bremsen, die geringere Anzahl von Arbeitstagen um weitere 0,4 Punkte.

Für dieses Jahr erwartet das DIW ebenso wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) ein Wachstum von 1,9 Prozent. Für 2017 sind die IfW-Experten aber optimistischer als ihre DIW-Kollegen: Sie prognostizieren hier ein Plus von 1,7 Prozent, dem 2018 ein Wachstum von 2,1 Prozent folgen soll. Das Essener RWI-Institut geht von 1,4 Prozent für 2017 und 1,6 Prozent für 2018 aus.
„Die deutsche Konjunktur trotzt den teils heftigen Gegenwinden aus dem Ausland“, sagte IfW-Experte Stefan Kooths. Die Delle im kommenden Jahr gehe auf temporär belastende Faktoren zurück, „darunter nicht zuletzt das Brexit-Votum, das vor allem die Ausfuhren merklich dämpfen wird“. Insgesamt dürften sich die Exporte aber mit der erwarteten Belebung wichtiger Absatzmärkte rasch fangen und den Aufschwung stützen. „Getragen wird die konjunkturelle Dynamik aber weiter vor allem von den binnenwirtschaftlichen Auftriebskräften“, sagte Kooths. Die Bauaktivität bleibe stark angesichts günstiger Rahmenbedingungen wie niedriger Zinsen. Auch der Konsum werde lebhaft expandieren, angetrieben von den hohen Einkommenszuwächsen.

Das DIW erwartet ebenfalls eine gute Binnenkonjunktur. So dürfte die Arbeitslosenquote bis 2018 von 6,1 auf 5,8 Prozent sinken. Dieses Jahr dürften eine halbe Million neue Jobs entstehen, in den kommenden beiden Jahren je rund 350.000. Der Staatshaushalt werde Überschüsse einfahren, die aber nur gut halb so hoch ausfallen wie die geschätzten rund 27 Milliarden Euro in diesem Jahr. „Die Befürchtung ist groß, dass die öffentliche Hand die hohen Überschüsse für Wahlgeschenke nutzt, statt Investitionen in Infrastruktur und Bildung zu erhöhen“, mahnte DIW-Chef Fratzscher.