Die Wirtschaftsweisen fordern die Europäische Zentralbank (EZB) zu einer raschen Abkehr von der Politik des ultrabilligen Geldes auf. Christoph Schmidt, der Vorsitzende des Gremiums, warnt: „Die Risiken für die Finanzstabilität nehmen zu, die EZB sollte daher die Beendigung des Aufkaufprogramms so bald wie möglich einleiten.“
Deutschlands Wirtschaft läuft laut den fünf Top-Beratern der Bundesregierung rund: Sie erwarten für 2017 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,4 Prozent. Damit sind sie einen Tick optimistischer als im Herbst. Große Risiken bergen ihrer Ansicht nach die protektionistischen Pläne von US-Präsident Donald Trump: „Sie bilden eine Gefahr für das globale Handelssystem und ein Risiko für die Weltwirtschaft. Importzölle würden gegen internationales Handelsrecht verstoßen.“
Die in jüngster Zeit von Vertretern der neuen US-Regierung geäußerte scharfe Kritik am hohen deutschen Leistungsbilanzüberschuss halten die Wirtschaftsweisen für „nicht stichhaltig“. Die deutschen Exporte in die USA übertrafen 2016 die Importe von dort um 49 Milliarden Euro. Die amerikanische Regierung wirft Deutschland vor, es nutze den niedrigen Euro-Kurs aus und könne dadurch mehr Waren in den USA absetzen als die USA in Deutschland. Die Bundesregierung verweist dagegen auf die Zuständigkeit der EU für den Handel und der EZB für den Wechselkurs.
Richtig ist, dass die EZB mit ihrer Niedrigzinspolitik tendenziell für eine Schwächung des Euro gegenüber dem Dollar sorgt. Gleichzeitig wird die US-Währung auf Grund der strafferen Geldpolitik in den USA für Anleger tendenziell attraktiver. Die EZB begründet ihre ultralockere Geldpolitik vor allem damit, die lange Zeit unerwünscht niedrige Inflation im Euro-Raum anheizen zu wollen.
Für Deutschland sagen die Wirtschaftsweisen in diesem Jahr bereits ein deutliches Überschreiten der von der EZB als Idealwert angepeilten Inflationsrate von knapp zwei Prozent voraus. Im Euroraum wurde diese Marke zuletzt ebenfalls überschritten. EZB-Präsident Mario Draghi und seine Ratskollegen wollen die Anleihenkäufe dennoch bis mindestens Ende 2017 fortsetzen. Dies auch, weil die wirtschaftliche Erholung laut EZB-Chefvolkswirt Peter Praet noch nicht zu einer „anhaltenden Verstärkung der Inflationsdynamik“ geführt hat. Seinen Worten zufolge sind die wirtschaftlichen Risiken zwar nicht mehr so ausgeprägt, aber die Gefahren überwiegen immer noch.
Nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen birgt das Festhalten an der ultralockeren Geldpolitik Risiken: „Man muss sich im Klaren sein, dass der Ausstieg immer schwieriger wird, je länger die Niedrigzinsphase anhält“, warnte die Ökonomin Isabel Schnabel. Das gelte sowohl für das Finanzsystem als auch für die Euro-Staaten. Die EZB werde zur „Gefangenen ihrer eigenen Politik“, wenn sie die Abkehr von ihrer ultralockeren Politik nicht rechtzeitig einleite.
Zudem bauten sich bei den Banken hohe Risiken auf, die spürbar würden, wenn die EZB die Zinszügel anziehe: „Dann steht das Finanzsystem vor einem erheblichen Problem.“ Die Bundesbank hat den deutschen Geldhäusern angesichts niedriger Zinsen bereits zu größeren Risikopuffern geraten. Der geringe Unterschied zwischen kurzfristigen und langfristigen Zinsen sorge dafür, dass Institute vermehrt kurzfristig fällige Einlagen erhalten. Reichten sie gleichzeitig vermehrt langlaufende, festverzinsliche Kredite aus, erhöhen sich hierdurch die Liquiditäts- und Zinsänderungsrisiken.
Die Wissenschaftler raten der EZB zu einem zügigen Abschmelzen der Anleihenkäufe. Zunächst solle eine Kommunikationsstrategie entwickelt werden, sagte der Frankfurter Wirtschaftsweise Volker Wieland. „Ein einfacher Weg wäre dann im Sommer eine schrittweise Rücknahme anzukündigen, so dass man bis Ende des Jahres das Aufkaufprogramm beendet.“