Die Bundesregierung hat die von Verbrauchern, Banken und Politikern massiv kritisierte Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR) in einigen Punkten entschärft. Der Finanzausschuss des Bundestages hatte die Korrekturen am entsprechenden Gesetzeswerk darum gebilligt.

In der neuen Fassung sieht die Richtlinie vor, dass bei der Kreditwürdigkeitsprüfung wieder der Wert der zu finanzierenden Immobilie in den Vordergrund rückt, heißt es in einem Bericht des Handelsblatts. Allerdings soll die Entscheidung über die Kreditvergabe nicht allein vom Immobilienwert abhängen. Zuletzt spielten die laufenden Einkünfte hingegen eine stärkere Rolle, während der Immobilienwert und das Eigenkapital für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit in den Hintergrund rückten. Wenn ein Darlehen für den Umbau oder eine Modernisierung beantragt wird und die Darlehenssumme den Wert der Immobilie nicht übersteigt, können die Banken das Darlehen künftig problemlos bewilligen. Zudem wird die Wertsteigerung durch Baumaßnahmen bei der Kreditwürdigkeitsprüfung berücksichtigt. Dies begünstigt die Kreditvergabe bei Modernisierungsprojekten.

Anschlussfinanzierung wird einfacher
Das neue Gesetz sieht außerdem vor, dass Anschlussfinanzierungen wieder einfacher werden. Beim Auslaufen der Zinsbindung eines Immobiliendarlehens soll grundsätzlich keine erneute Kreditwürdigkeitsprüfung erfolgen. Diese Regelung stehe allerdings noch unter dem Vorbehalt der EU, zitiert das Handelsblatt eine SPD-Finanzexpertin. Nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums bietet die EU-Richtlinie für eine erleichterte Kreditvergabepraxis in diesen Fällen ausreichend Spielraum für nationale Gestaltungen, berichtet das Handelsblatt mit Verweis auf eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters.

Mehr Klarheit für Banken
Banken profitieren von dem überarbeiteten Gesetz insofern, als eine Rechtsverordnung für klarere Vorgaben bei der Kreditwürdigkeitsprüfung sorgen soll. Da die Vorgaben bislang sehr vage gehalten waren, hatten die Banken eine Klagewelle bei strittigen Fällen befürchtet und zur Vermeidung etwaiger Haftungsrisiken entsprechend vorsichtig agiert. Gemeinsam mit dem Verbraucherministerium soll das Finanzministerium die Vorgaben im Rahmen der neuen Rechtsverordnung präzisieren.

WIKR benachteiligte Familien, Selbständige und Senioren
Zum Hintergrund: Die WIKR trat im März 2016 in Kraft und basiert auf den Vorgaben einer EU-Richtlinie. Damit sollte unter anderem eine zu leichtfertige Kreditvergabepraxis verhindert werden, die zu einer Immobilienblase führen könnte. Mit der Einführung der neuen Vorschriften ging eine rigorosere Vorgehensweise bei der Prüfung der Einkommensverhältnisse einher, was sich vor allem auf junge Familien, Selbständige und Senioren auswirkte. So wurde nach der Einführung der WIKR beispielsweise von den Banken geprüft, ob das Darlehen bis zum Erreichen des Rentenalters getilgt werden kann oder nicht – und ob gegebenenfalls die Altersbezüge für die Tilgungsleistungen ausreichen. Zuvor wurden solche Aspekte und generell Einkommensprognosen nicht berücksichtigt. Letzteres hatte sich vor allem für junge Familien vielfach als nachteilig erwiesen. Im Zuge der Debatte um die Benachteiligung einzelner Bevölkerungsgruppen hatten die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im Oktober 2016 einen Gesetzentwurf zur Entschärfung der WIKR vorgelegt. Im Dezember 2016 verabschiedete das Bundeskabinett eine Neufassung.

Auswirkungen der WIKR: Keine eindeutigen Zahlen
Inwieweit die WIKR wirklich zu einem Rückgang der Kreditvergabe geführt hat, gilt als umstritten. So ergab eine Studie der Online-Plattform Kreditvergleich.de anhand einer Auswertung von Bundesbank-Zahlen, dass die Kreditvergabe im zweiten Quartal 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen und nicht gesunken ist. Allerdings könne die höhere Summe auch auf weniger und dafür größere Darlehensbeträge zurückgehen, heißt es von Kreditvergleich.de. Nach Angaben des Sparkassen- und Giroverbands wiederum ist die Kreditvergabe im ersten Halbjahr 2016 um 8,9 Prozent gesunken. Eindeutig sagen lässt sich indes, dass die Lobbyverbände zumindest teilweise Erfolg mit ihren Forderungen rund um die Entschärfung der WIKR hatten.