Wohnhochhäuser – lange als Symbol für gescheiterten sozialen Wohnungsbau geschmäht – erleben derzeit in den deutschen Metropolen ein Comeback. Zu diesem Ergebnis kommt das weltweit tätige Immobilienberatungsunternehmen Jones Lang LaSalle in einem aktuellen Marktreport, der diese zunehmend wieder gefragte Wohnform als „Vertical Living“ tituliert. Der Analyse zufolge wurden bis Ende 2016 in Berlin, Frankfurt, München, Stuttgart und Düsseldorf mindestens 17 Wohnhochhäuser neu errichtet oder umfassend saniert.

Während diese Bauweise früher ausschließlich dem reinen Wohnzweck diente, stehen Wohnhochhäuser heute für einen modernen Lifestyle, der auch Themen wie Nachhaltigkeit und Integration in den Stadtraum beinhaltet, heißt es in dem Bericht. Nach Einschätzung von Jones Lang LaSalle wird die Bedeutung des Wohnens in Hochhäusern in Deutschland rapide zunehmen. Bislang spielen sie für den Wohnungsmarkt eine eher untergeordnete Rolle, nur wenige Wohnhochhäuser überschreiten eine Höhe von 50 Metern. Dazu gehört beispielsweise das Colonia-Hochhaus – mit 150 Metern eines der 20 höchsten Gebäude Deutschlands. Weitere 20 werden gemischt – auch zu Wohnzwecken – genutzt. Der Großteil der Gebäude wurde in den 70er Jahren errichtet, als diese Bauform als fortschrittlich galt.

Nicht mehr auf der grünen Wiese: Moderne Wohnhochhäuser

Angesichts der stark sinkenden Leerstandsquoten in fast allen deutschen Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern und des großen Mangels an Wohnraum wenden sich sowohl die Kommunen als auch die Entwickler und Investoren wieder dieser Wohnform zu, deren Image jedoch eher negativ war, berichtet das Maklerunternehmen. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte in Asien und Amerika sowie ein Technologiewandel in der Architektur und Haustechnik habe jedoch dazu geführt, dass die heutigen Wohntürme als „state of the art“ gelten. Anders als früher gelten heute sowohl Gering- als auch Gutverdiener als Zielgruppe, zudem werden die Gebäude nicht mehr auf der „grünen Wiese“ errichtet. Dies war früher der Fall und geht teilweise auch darauf zurück, dass die Bauvorschriften aus ihrer Historie heraus sowie aus Brandschutzgründen eine Traufhöhe von maximal 22 Metern vorsahen. Der Bau in gewachsenen Wohngebieten war damit kaum möglich, mittlerweile hat nach Angaben von Jones Lang LaSalle jedoch ein Umdenken bei den Planungsbehörden eingesetzt. Bisher gewerblich genutzte Stadtareale wie etwa ehemalige Bahn- oder Hafenanlagen würden nun vielfach durch diese Neubauten aufgewertet, ohne dass es zu unerwünschten Verdrängungsprozessen komme, heißt es in dem Marktbericht.

Europaweit im Trend

Insgesamt wurden in Westeuropa bislang rund 240 reine Wohnhochhäuser errichtet. Zu den Gebäuden jüngeren Datums gehört unter anderem der Marco Polo Tower in der Hamburger Hafencity, insgesamt befinden sich rund 20 Projekte in den sieben größten deutschen Städten im Planungsstadium. Rund 30 weitere Projekte wie etwa der 172 Meter hohe Grand Tower im Frankfurter Europaviertel sind zudem bereits im Bau, berichtet Jones Lang LaSalle. Dieses Neubaugebiet wurde auf dem ehemaligen Güterbahnhofareal der Bankenmetropole errichtet und steht beispielhaft für die Umnutzung von Industriebrachen. Als Beispiel für Wohnhochhäuser in urbanen Lagen nennt das Maklerunternehmen den ABC Tower am Alexanderplatz, der zusammen mit anderen Wohnprojekten den Auftakt zu einer Stadtquartiersentwicklung bilden soll.

Vielfach werden Bestandsgebäude umgenutzt

Für den Trend, bestehende Bauten grundlegend zu sanieren, steht laut Marktbericht das Projekt „The Seven“ in München – ehemals der Maschinenturm eines Heizkraftwerks und heute ein 74 Meter hoher Bau mit Luxuswohnungen. Vielfach werden auch ehemalige Bürobauten in Wohnraum umgewandelt – etwa der „Steglitzer Kreisel“ in Berlin. Anders als früher bieten die Wohnhochhäuser neueren Typs in der Regel eine sehr gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr: Im Schnitt befinden sich die insgesamt 65 untersuchten Projekte etwa 380 Meter von der nächstgelegenen Haltestelle entfernt. Typisch für die neuen Projekte sei zudem die teilweise Mischnutzung – indem etwa auch Kitas oder andere soziale Einrichtungen in den Gebäuden untergebracht sind.