Zuerst ein neues Rekordhoch, dann deutliche Kursrückgänge beim DAX. Möglicherweise wollten Investoren bei dem erreichten Niveau einfach nur Gewinne mitnehmen, möglicherweise waren Börsianer aber auch von den Quartalszahlen einiger Unternehmen enttäuscht. Denn einige Firmen konnten die Erwartungen nicht oder gerade mal so erfüllen.
Seit Ende Oktober war der deutsche Leitindex von einem Rekord zum anderen geeilt und hatte am Dienstag mit 13.526 Punkten seinen vorläufigen Höchststand erreicht. Die Börsen in den USA und Japan waren vor dem Hintergrund der global gut laufenden Konjunktur ebenfalls gut gelaufen. Positive Impulse lieferte auch die Nominierung Jerome Powells als Nachfolger von Janet Yellen an der Spitze der US-Notenbank Fed. Der S&P 500 markierte am Mittwoch ein Rekordhoch von 2.594 Zählern. Die Furcht vor Verzögerungen bei der von US-Präsident Donald Trump angekündigten Steuerreform dämpfte dann aber auch an der Wall Street die Stimmung.
Die Republikaner im US-Kongress liegen bei den Plänen für die umfangreichste Steuerreform seit den 1980er Jahren noch weit auseinander. Vor allem über die Senkung der Unternehmenssteuern gibt es Streit. Sollte sich die Realisierung des für die Märkte wichtigen Vorhabens tatsächlich um ein Jahr verschieben, wird das Investoren enttäuschen, vermuten Aktienanalysten.
US-Aktien hoch bewertet, DAX-Aktien moderat
Was die Bewertungen an den Aktienmärkten betrifft, wurde zuletzt ein hohes Niveau erreicht. Das gilt zwar nicht für alle Aktienmärkte, aber vor allem für den richtungsweisenden US-Markt. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 auf Basis erwarteter Gewinne für die nächsten zwölf Monate stieg auf 18,1 und damit auf den höchsten Wert der letzten zehn Jahre. Für das vergangene Jahrzehnt liegen der Durchschnitt bei 14,4 und der im November 2008 erreichte Tiefstwert bei 9,5.
Verglichen damit ist der DAX noch moderat bewertet. Der DAX-Kursindex, der im Gegensatz zum DAX-Performanceindex keine Dividendenzahlungen enthält, weist aktuell ein KGV von 13,6 auf. Damit befindet er sich noch merklich unter seinem Hoch vom Frühjahr 2015, als europäische Aktien durch die Ankündigung des Wertpapier-Kaufprogramms der EZB und den kräftig abwertenden Euro angeschoben wurden. Seinerzeit lag das DAX-KGV in der Spitze bei 15,2.
Das Jahr 2017 startete der DAX mit einem KGV von 13,4, was bedeutet, dass diese Kennzahl seitdem nur relativ bescheiden gestiegen ist. Beim S&P 500 stieg das KGV wesentlich stärker, nämlich von 17,2 zu Jahresbeginn auf 18,1. Eine Ursache für die geringere KGV-Ausweitung beim DAX seit Jahresanfang ist die Aufwertung des Euro, die bis September europäische Aktien gebremst und die relative KGV-Bewertung gegenüber amerikanischen Aktien gedrückt hat. Außerdem wurde der Kursanstieg seit Jahresbeginn zu einem wesentlichen Teil durch steigende Unternehmensgewinne bzw. Gewinnerwartungen getragen.
Höhere KGVs 2018 schwierig zu erreichen
Die Entwicklung der Firmenergebnisse bzw. der Gewinnrevisionen ist im laufenden Jahr spürbar besser als in den beiden Vorjahren. Für weiter steigende Bewertungen wird die Luft 2018 allerdings dünner. Zwar dürfte sich die Weltkonjunktur auch nächstes Jahr günstig entwickeln, eine nochmalige spürbare Belebung, die eine anhaltende Bewertungsexpansion unterstützen würde, ist aber unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dass die Geldpolitik der großen Zentralbanken – allen voran der US-Notenbank Fed – allmählich weniger expansiv wird, was die Kapitalmarktzinsen leicht steigen lassen dürfte und gleichfalls gegen höhere Kurs-Gewinn-Verhältnisse spricht. Ungeachtet dessen werden die Währungshüter die Geldhähne jedoch weiterhin weit geöffnet halten, weshalb von dieser Seite noch kein Grund für nachhaltig rückläufige Bewertungen geliefert wird.
Sollte es wider Erwarten zu einer deutlichen Eintrübung der Weltkonjunktur kommen oder die Zinsen kräftig steigen, würden die hohen Aktienbewertungen allerdings unter Druck geraten und die Kurse fallen. Diese Konstellation wird 2019/2020 realistischer, wenn die Fed die Zügel weiter angezogen hat und eine dann wahrscheinlicher werdende Abschwächung der Weltkonjunktur in den Notierungen vorweggenommen wird. Dies würde das Ende des 2009 begonnenen Aufwärtszyklus am Aktienmarkt bedeuten. Noch ist es aber nicht soweit. Eine mögliche Fortsetzung der vergangene Woche einsetzenden Kurskorrektur sollten Anleger als gesunde Verschnaufpause betrachten. Auf Sicht der nächsten zwölf Monate dürfte sich der langfristige Aufwärtstrend noch fortsetzen, vor allem getragen durch steigende Unternehmensgewinne.
EZB-Notenbanker mit unterschiedlichen Prioritäten
Mit der konjunkturellen Entwicklung scheint man auch in der Europäischen Zentralbank (EZB) zufrieden zu sein. Dennoch gab es bezüglich der Zukunft der umstrittenen Anleihekäufe von den Euro-Notenbankern letzte Woche wenig Neues. Einerseits bekräftigte auf Seiten der geldpolitischen Falken Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger, dass sie einen klaren Ausstieg aus dem Kaufprogramm mit definiertem Endzeitpunkt bevorzugt hätte, und Bundesbank-Chef Jens Weidmann betonte abermals, dass das Niedrigzinsumfeld an einem Punkt beendet werden müsse.
Demgegenüber meinte EZB-Ratsmitglied Jan Smets, es werde noch „etwas dauern“, bis das Wirtschaftswachstum zu Lohndruck und Inflation führe. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet zeigte sich optimistisch, dass sich die Inflation bei der aktuellen geldpolitischen Ausrichtung auf das Inflationsziel von knapp zwei Prozent hinbewege. Derweil merkte EZB-Vize Manuel Constâncio an, dass erst zu Jahresbeginn entschieden werde, in welchem Umfang künftig Unternehmensanleihen im Kaufprogramm der Notenbank erworben werden.
EZB-Chef Mario Draghi und Yves Mersch rückten die Probleme der notleidenden Kredite bei den europäischen Banken in den Vordergrund. In diesem Zusammenhang sagte Mersch, die Banken sollten Rückstellungen in Höhe der erwarteten Verluste bilden. Hilfreich wäre zudem die Schaffung eines europäischen Markts für Verbriefungen dieser notleidenden Kredite, da dies Geldhäusern erlauben würde, wieder neue Kredite auszureichen.
Fed-Personalbesetzung in Bewegung
Bei der US-Notenbank Fed hat man andere Sorgen. Dort drehten sich die Diskussionen jüngst verstärkt um künftige Zinsanhebungen. Grundtenor ist, dass auch unter der Führung des designierten Fed-Präsidenten Jerome Powell der Leitzins äußerst behutsam erhöht werden wird. Philadelphia Fed-Präsident Patrick Harker sagte, dass er keinen Grund sehe, warum die Fed den Leitzins im Dezember nicht anheben solle. Gleichzeitig geht er von drei Zinsschritten im kommenden Jahr aus. Diese Erwartung hegt auch San Francisco Fed-Präsident John Williams. Anders Minneapolis Fed-Chef Neel Kashkari: Er sieht keine Fortschritte beim Inflationsdruck und werde erst dann einem weiteren Zinsschritt zustimmen, wenn sich die Inflation wieder belebt.
Die Finanzmärkte sehen die geldpolitischen Falken im Vorteil und preisen im Moment mit einer Wahrscheinlichkeit von gut 90 Prozent eine Zinserhöhung im Dezember ein. Für 2018 rechnet man an den Märkten dagegen nur mit ein bis zwei Zinsschritten.
In Sachen Personal ist bei der Fed derzeit vieles im Fluss, was die Machtverhältnisse zwischen Falken und Tauben künftig verschieben dürfte. Zuletzt hat New York Fed-Chef William Dudley seinen Rücktritt für Mitte 2018 angekündigt. Da die NY-Fed die Offenmarktgeschäfte für die Fed ausführt, hat der NY Fed-Chef eine einflussreiche Position im Offenmarktausschuss der Zentralbank (FOMC). Die NY Fed kann ihren Chef selbst bestimmen und dürfte daher nach Dudley erneut eine geldpolitische Taube wählen. Dennoch wird die Geldpolitik der Fed künftig konservativer werden. Durch die jüngsten personellen Änderungen und das jährliche Rotationsverfahren wird sich die Zahl der stimmberechtigten Tauben von sechs auf zwei verringern, während die Zahl der Falken nach Ansicht von Fed-Beobachtern von einer auf drei steigt. Außerdem sind zum Jahresauftakt 2018 noch drei Sitze im FOMC unbesetzt. Durch weitere Nominierungen Trumps könnte daher die Zahl der Falken noch zunehmen. Damit stiege das Risiko, dass es 2018 mehr als nur zwei oder drei Zinsschritte geben wird.
Was die neue Woche bringt
Diese Woche bedeutet die Veröffentlichung der wichtigen Wirtschaftsdaten in der Eurozone zunächst einen Blick in den konjunkturellen Rückspiegel. So dürften die Daten zum BIP-Wachstum im dritten Quartal die bereits veröffentlichte Wachstumsrate von 0,6 Prozent zum Vorquartal bestätigen (Di.). Zwar dürfte die Industrieproduktion im September in der Währungsunion rückläufig gewesen sein (Di.), worauf vor allem die schwachen Zahlen aus Italien und Deutschland hinweisen. Der Rückgang fällt aber wohl geringer aus als der starke Anstieg im August und stützt damit das insgesamt gute Konjunkturbild im dritten Vierteljahr. Die bisher noch unveröffentlichte BIP-Wachstumsrate für Deutschland sollte gleichfalls bei 0,6 Prozent zum Vorquartal gelegen haben (Di.).
Der Blick nach vorne bleibt weitgehend ungetrübt. Angesichts der positiven Entwicklung der Finanzmärkte und den guten Vorgaben des Sentix-Investorenvertrauens dürften auch die ZEW Konjunkturerwartungen für November erneut gestiegen sein. Die Zuversicht könnte dabei sogar den bisherigen Jahreshöchststand vom Mai leicht übertreffen (Di.). Bei der endgültigen Veröffentlichung der Inflationsdaten dürften sowohl für den Euroraum (Do.) als auch für Deutschland (Di.) die vorläufigen Zahlen bestätigt werden.
In den USA steht ein ganzer Datenkranz zur Veröffentlichung an. Die Märkte werden den Fokus wohl primär auf die Inflationszahlen (CPI) für Oktober legen (Mi.). Dabei dürfte die Kerninflation ihren schwachen monatlichen Preisdruck im Oktober beibehalten haben, was die jährliche Kerninflationsrate bei 1,7 Prozent belassen sollte. Die Energiepreise dürften zum Herbstanfang allerdings leicht rückläufig gewesen sein. Hierbei sollten deutlich gesunkene Benzinpreise den Ölpreisanstieg im Oktober überkompensiert haben. Demgemäß sollten die Verbraucherpreise insgesamt stagniert haben, was die Inflationsrate um 0,2 Prozentpunkte auf dann 2,0 Prozent gedrückt haben dürfte.
Die „harten“ Konjunkturdaten für Oktober werden voraussichtlich gemischt ausfallen. Der Einzelhandel hat sich im Oktober nach den Wirbelstürmen sicherlich normalisiert (Mi.). Daher werden die Automobilverkäufe ihr sehr hohes Niveau vom September im Oktober kaum gehalten haben. Der übrige Einzelhandel sollte nach dem starken Plus im September im Oktober nur noch ein leichtes Umsatzplus verbucht haben.
Im Gegensatz dazu dürfte es in der US-Industrie auch im Oktober rund gelaufen sein (Do.). Dies deuten nicht nur die Frühindikatoren an, sondern auch die für diesen Sektor starken Beschäftigungszahlen sowie die gute Auftragslage. Gute Nachrichten kommen wohl auch vom Häuserbau. Hier dürften die Wohnungsbaubeginne nach einem witterungsbedingt schwächeren September im Oktober wieder auf 1180 Tsd. Einheiten gestiegen sein (Fr.). Der Blick nach vorne bleibt zumindest für die US-Industrie positiv. So sollte der Philadelphia Fed-Index für November auf seinem hohen Stand vom Oktober verharrt haben (Do.).
In Japan läuft es konjunkturell ebenfalls passabel. Volkswirte kalkulieren für das dritte Quartal mit einem BIP-Wachstum von 0,4 zum Vorquartal (Mi.). Es wäre das siebte Quartal in Folge mit BIP-Wachstum. Diese konjunkturelle Stabilität ist für japanische Verhältnisse eher ungewöhnlich und wurde zuletzt zur Jahrtausendwende beobachtet. Derzeit wird der Aufschwung der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt vor allem vom Konsum und den Wohnungsbauinvestitionen getragen.
Im Rahmen der allmählich abflauenden Unternehmens-Berichtssaison für das dritte Quartal legen in der neuen Woche 15 Firmen aus dem S&P 500 und 18 Unternehmen aus dem STOXX Europe 600 Quartalsberichte vor. Aus dem DAX stehen die Zahlen von Henkel und Infineon Technologies (Di.) auf der Agenda.
Die wichtigsten Konjunkturdaten der neuen Woche
Monat | Prognose | Letzter | |
---|---|---|---|
Montag, 13.11.2017 | |||
keine wichtigen Daten | |||
Dienstag, 14.11.2017 | |||
Industrieproduktion China (% zum Vormonat) | Oktober | 6.3 | 6.6 |
BIP Deutschland (% zum Vorquartal) | Q3 | 0.6 | 0.6 |
Verbraucherpreise Deutschland (% zum Vorjahr) | Oktober | 1.6 | 1.6 |
BIP Euroland (% zum Vorquartal) | Q3 | 0.6 | 0.6 |
Industrieproduktion Euroland (% zum Vormonat) | September | -0.6 | 1.4 |
ZEW-Konjunkturerwartungen Deutschl. (Punkte) | November | 22 | 17.6 |
ZEW Aktuelle Lage Deutschland (Punkte) | November | 89 | 87 |
ZEW-Konjunkturerwartungen Euroland (Punkte) | November | 28 | 26.7 |
Erzeugerpreise USA (% zum Vorjahr) | Oktober | 2.5 | 2.6 |
Mittwoch, 15.11.2017 | |||
BIP Japan (% zum Vorquartal) | Q3 | 0.4 | 0.6 |
Einzelhandelsumsatz USA (% zum Vormonat) | Oktober | -0.1 | 1.6 |
Einzelhandelsums. o. PKW USA (% zum Vormonat) | Oktober | 0.1 | 1 |
Empire State Index USA (Punkte) | November | 24.9 | 30.2 |
Verbraucherpreise USA (% zum Vorjahr) | Oktober | 2 | 2.2 |
Verbraucherpr. Kernrate USA (% zum Vorjahr) | Oktober | 1.7 | 1.7 |
Donnerstag, 16.11.2017 | |||
Verbraucherpreise Euroland (% zum Vorjahr) | Oktober | 1.4 | 1.4 |
Verbraucherpr. Kernrate Euroland (% zum Vorjahr) | Oktober | 9.9 | 0.9 |
Philly Fed Index USA (Punkte) | November | 27.9 | 27.9 |
Industrieproduktion USA (% zum Vormonat) | Oktober | 0.4 | 0.3 |
NAHB Wohnungsmarktindex USA (Punkte) | November | 68 | 68 |
Freitag, 17.11.2017 | |||
Wohnungsbaubeginne USA (Tsd.) | Oktober | 1180 | 1127 |