Rund 2,8 Deutsche beziehen Leistungen der Pflegeversicherung. Doch bevor die Pflegeversicherung zahlt, müssen die Leistungen beantragt und bewilligt werden. Für die Angehörigen gestaltet sich der Weg dorthin oft schwierig, so das Ergebnis einer Studie, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Verbraucherzentralen durchgeführt hat. Nach Aussage von Annabel Oelmann, Vorstand der Verbraucherzentrale Bremen, erleben die Angehörigen die Antragstellung und die Phase bis zur Feststellung des Pflegegrads als sehr belastend. Sie fühlten sich unsicher und wenig informiert und würden Beratungsangebote eher selten nutzen, erläutert sie. Generell handelt es sich bei der Pflegebedürftigkeit ohnehin bereits um eine schnell eintretende Situation ohne Vorbereitungszeit, was bereits für sich genommen eine physische und psychische Belastung für die Angehörigen und auch die Pflegebedürftigen darstellt. Zu der Unsicherheit rund um das weitere Vorgehen kommt aufgrund der Komplexität des Themas die Angst, Fehler zu machen oder eine zu niedrige Einstufung des Pflegegrads zu erhalten.
Das Kernthema der Umfrage: Welche Erfahrungen haben pflegende Angehörige und Experten aus der ambulanten und stationären Pflege mit dem Prozess zur Einordnung in einen Pflegegrad gemacht? Dabei stellte sich heraus, dass viele Befragte das Internet als wichtige Informationsquelle nutzen. Allerdings werden die Informationen als unüberschaubar und eher verwirrend bewertet. Angehörige von Pflegebedürftigen wünschen sich daher eine proaktive Beratung von Pflegekassen und Krankenhäusern zum Thema. Im Vorfeld herrschen bei vielen Angehörigen ein negatives Grundgefühl und Unsicherheit aufgrund der aufwändigen Bürokratie. Hinzu kommt die Unsicherheit über die Frage, wann der richtige Zeitpunkt für die Antragstellung ist. Unterm Strich befürchten die Antragsteller, dass es zu einer falschen Entscheidung führt, die irreversibel ist.
Bestehende Beratungsangebote zu wenig genutzt
Wie die Umfrage außerdem ergab, werden bestehende Beratungsangebote von der jeweiligen Zielgruppe oftmals nicht genutzt. So kannte die Mehrzahl der befragten Angehörigen entsprechende Beratungsstellen und Pflegestützpunkte entweder nicht oder nahm die Beratungsangebote nicht in Anspruch. Das Fatale daran: Wer diese Stützpunkte aufgesucht hatte, bewertete die Beratungsleistung als gut. Das Potenzial dieser Einrichtungen wird also derzeit nicht ausreichend ausgeschöpft, heißt es in der Studie. Auch Beratungsgutscheine der Pflegekassen waren den vielen Befragten gar nicht bekannt, weshalb sie auch nicht genutzt wurden. Ein kleiner Teil der Befragten gab allerdings auch an, sich keiner fremden Person anvertrauen zu wollen oder zu glauben, den Bedarf selbst einschätzen zu können.
Angehörige empfinden Antragstellung als stressig und kompliziert
Kritik übten die Befragten auch an den Formularen der Pflegekassen. Diese wurden häufig als zu komplex und zu unverständlich bezeichnet. Daher wünschen sich viele Angehörige von den Kassen mehr Unterstützung beim Ausfüllen. Auch die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung wird von den Befragten wenig positiv wahrgenommen: Viele befürchteten, dass sie im Rahmen der Begutachtung in eine Prüfungssituation geraten, und sie wussten nicht, wie sie sich und die pflegebedürftige Person auf den Termin vorbereiten sollten. Wie die Studie weiter zeigt, beurteilten Angehörige, die den Antrag mit Unterstützung ausfüllten– etwa durch pflegeerfahrene Bekannte oder einen sozialen Dienst – die Belastung bei der Antragstellung als deutlich geringer im Vergleich zu denen, die allein einen Antrag gestellt haben.
Gute Noten für die Begutachtungstermine und die Pflegegrade
Als positiv bewerten die Angehörigen hingegen den Begutachtungstermin selbst sowie das Gespräch mit den Gutachtern. Diese wurden als angenehm beurteilt. Gute Noten erhielt auch die Pflegeversicherung an sich sowie das seit Anfang 2017 geltende neue System der fünf Pflegegrade, das die bisherigen drei Pflegestufen ersetzt. Seitdem stehen die individuellen Fähigkeiten der Pflegebedürftigen und nicht mehr der Pflegeaufwand in Minuten im Vordergrund. Ermittelt wird der Pflegegrad anhand eines Punktesystems.
Empfehlung: Anträge mit Unterstützung einreichen
Die Verbraucherzentralen folgern aus den Umfrageergebnissen, dass diejenigen Angehörigen, die bei der Antragstellung und Begutachtung von Pflegeexperten unterstützt wurden, mit dem Verfahren deutlich besser umgehen konnten als diejenigen ohne Hilfestellung. Wer eine Beratung genutzt hatte, nahm diese als wichtige Orientierungshilfe wahr und fühlte sich gut über den Anspruch auf Pflegeleistungen informiert. Die Verbraucherschützer raten daher, sich rechtzeitig Unterstützung und Hilfe zu holen und Beratungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Dies entspricht auch den Angaben der Angehörigen in den Gesprächen, die im Rahmen der Studie geführt wurden: Sie raten aus ihrer Erfahrung heraus dazu, die Antragstellung nicht allein durchzuführen.