Ob Ergo, Axa oder Generali: Rund zehn Millionen deutsche Lebensversicherungspolicen könnten demnächst an Finanzinvestoren verkauft werden. Der Grund: Die Verträge weisen vielfach noch eine angesichts des extrem niedrigen Zinsniveaus kaum zu erwirtschaftende Garantieverzinsung von vier Prozent und mehr auf. Dies wird für die Branche zunehmend zu einer Bürde, da mit risikoarmen Anlagen kaum noch entsprechende Renditen erwirtschaftet werden können. Daher suchen sie einen Käufer für ihre Lebensversicherungsbestände. Aufgrund der mittlerweile auf 0,9 Prozent zusammengeschmolzenen Garantieverzinsung haben viele Versicherer ohnehin bereits das Neugeschäft mit klassischen Lebensversicherungen eingestellt und bieten stattdessen zunehmend Produkte ohne Garantien an. Die drei großen Versicherer sind nicht die ersten, die den Verkauf ihres Lebensversicherungsgeschäfts erwägen: So haben bereits kleinere Gesellschaften wie Skandia, Basler und Arag ihre Bestände an Lebensversicherungen veräußert.
Versicherte können sich gegen Verkauf ihrer Policen nicht wehren
Nach Aussage von Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten (BdV), haben Versicherte gegen einen Weiterverkauf ihrer Policen keine Handhabe, heißt es in einem Interview des „Manager Magazins“ zum Thema. Demnach seien auch die bisher verbindlich zugesagten Überschüsse im Zuge der Übertragung des Deckungskapitals auf die Käufer sehr wahrscheinlich sicher. Bei den zukünftigen Überschüssen hingegen sei hingegen unklar, inwiefern faire und angemessene Überschüsse auch weiterhin ausgezahlt würden, gibt er zu bedenken. Fest steht: Jede Transaktion muss von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) genehmigt werden.
Versicherte haben drei Möglichkeiten, auf Weiterverkauf zu reagieren
Millionen Kunden von Lebensversicherern, die eine Auslagerung dieses Geschäfts planen, stehen damit derzeit vor der Frage, welche Auswirkungen ein solcher Schritt auf ihre Policen haben könnte. Sie haben generell drei Optionen zur Wahl: So kann der Vertrag gekündigt werden – was sich aber gerade bei Verträgen jüngeren Datums unter Umständen als nachteilig erweisen kann, da dann nur der Rückkaufswert ausgezahlt wird. Und dieser ist umso geringer, je kürzer die bisherige Vertragslaufzeit ist. Eine weitere Option stellt die Beitragsfreistellung dar. Und drittens kann der Vertrag einfach weitergeführt werden.
Was sich im Einzelfall als günstigste Option erweist, lässt sich Kleinlein zufolge nicht pauschal beanworten. Wichtig sei jedenfalls auch der Aspekt, ob der im Vertrag enthaltene Risikoschutz weiterhin benötigt wird oder nicht. Ist dies der Fall, sind Kündigung und Beitragsfreistellung Kleinlein zufolge problematischer, da dann ein neuer Vertrag benötigt wird. Inwieweit dies ohne Schwierigkeiten möglich ist, steht nicht immer von vornherein fest. Zudem wird der Schutz in der Regel umso teurer, je älter man beim Abschluss solcher Policen ist.
Verbraucherschützer unterstützen Versicherte
Wer unsicher ist, welche Option am ehesten sinnvoll wäre, kann für eine erste Einschätzung einen kostenfreien Rechner nutzen, den der Bund der Versicherten auf seiner Webseite bereitstellt. Die Verbraucherzentralen empfehlen betroffenen Kunden, eine Beschwerde bei der Bafin einzureichen und sich im Rahmen ihres Beratungsangebots über den weiteren Umgang mit der Police zu informieren. Die Verbraucherschützer sehen das Problem darin, dass Investoren, die die Policenbestände der Versicherer aufkaufen, auf Rendite aus sind. Daher sei zu befürchten, dass diese die Versicherten nicht ausreichend an den Überschüssen beteiligen.