Wer nach dem 10. Juni 2010 einen Immobiliendarlehensvertrag abgeschlossen hat, kann möglicherweise eine Rückabwicklung fordern. Das belegt ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, AZ XI ZR 434/15) zu einem Vertrag mit einer Sparkasse, der eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthielt. Der Passus zur Widerrufsfrist enthielt die Formulierung, dass die Frist erst dann beginnt, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben – darunter auch die Nennung der zuständigen Aufsichtsbehörde – erhalten hat. Angaben hierzu fehlten jedoch in den Vertragsunterlagen. Daraus leitete der BGH ab, dass die Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht beginnen konnte, weil die Sparkasse die Voraussetzungen hierfür aufgrund der unvollständigen Angaben nicht geschaffen hat. Denn der Kreditnehmer könne nicht wissen, wie viele und welche Angaben er kennen muss. Daher sei es dem Verbraucher nicht möglich, den Fristbeginn verlässlich zu ermitteln. Zuvor hatte unter anderem auch das Oberlandesgericht Nürnberg, das über einen Vertrag mit der örtlichen Sparda-Bank zu urteilen hatte, ebenso argumentiert (AZ: 14 U 1780/15).

Rückabwicklung bei neueren fehlerhaften Verträgen möglich
Das Urteil zeigt, dass auch nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossene Immobiliendarlehensverträge oftmals noch fehlerhafte Widerrufserklärungen enthalten. Das gilt besonders für Verträge mit Sparkassen, die die vom BGH beanstandete Erklärung verwendet haben. Vor allem zwischen dem 11. Juni und dem 29. Juli 2010 abgeschlossene Verträge könnten fehlerhaft sein, da es in diesem Zeitraum kein gesetzliches Muster gab, heißt es von der auf diese Fälle spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Stenz & Rogoz. Zudem habe sich mittlerweile gezeigt, dass auch neuere Verträge oft nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Es ist daher sinnvoll, die Verträge zu überprüfen oder einen Anwalt damit zu beauftragen. Auch Verbraucherzentralen bieten die Überprüfung gegen Entgelt an. Anders als bei Darlehensverträgen, die vor diesem Stichtag abgeschlossen wurden, gilt für Verträge, die zwischen dem 30. Juli 2010 und dem 12. Juni 2014 abgeschlossen wurden, nach wie vor ein ewiges Widerrufsrecht. Für ältere Verträge wurde es durch einen Bundestagsbeschluss im Februar 2016 auf den 21. Juli 2016 begrenzt.

Auch bereits getilgte Darlehen prüfen
Der Ausstieg aus Darlehensverträgen mit fehlerhaften Widerrufsklauseln kann sich nicht nur für noch laufende Darlehen lohnen. Insbesondere, wenn eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt wurde, kann es sinnvoll sein, den Vertrag zu prüfen. Kann er rückabgewickelt werden, steht dem Darlehensnehmer die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zu. Da diese bis zum Widerruf in Form der Zins- und Tilgungsleistungen wirtschaften konnte, steht den Darlehensnehmern zudem ein Nutzungsersatz zu. Dieser wird nach Angaben der Verbraucherplattform Finanztip.de mit fünf Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes der Bundesbank verzinst, einige Gerichte setzen auch niedrigere Zinsen an. Kreditnehmer, deren Darlehen noch nicht getilgt ist, profitieren hiervon ebenso, zudem können sie die noch ausstehende Darlehenssumme zinsgünstiger weiter finanzieren.

Klagewelle führte zu Kappung des ewigen Widerrufsrechts
Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen aus den Jahren 2002 bis 2010 verschafften zahlreichen Darlehensnehmern die Möglichkeit, aus ihrem Immobilienkredit auszusteigen. Dies löste eine Klagewelle aus, denn aufgrund der seinerzeit höheren Zinsen war es für die Kreditnehmer vorteilhaft, das Darlehen zu aktuellen Konditionen fortzuführen. Der Ausstieg war möglich, weil die von vielen Banken verwendeten Widerrufserklärungen fehlerhaft waren. Viele enthielten unklar definierte Klauseln zum Widerruf, was dazu führte, dass die Frist von 14 Tagen nicht anfangen konnte. Die Frist für den Widerruf von Verträgen, die zwischen dem 1. September 2002 und 10. Juni abgeschlossen wurden, endete jedoch am 21. Juni 2016. Die Entscheidung des Bundestags, das ewige Widerrufsrecht auf diesen Stichtag zu kappen, wurde von Verbraucherschützern als bankenfreundlich kritisiert.